Testi Definizione Esercizi

Ulrich Bräker

Lebensgeschichte und natürliche Ebentheur des Armen Mannes im Tockenburg



  • Vorbericht des Herausgebers
  • Vorrede des Verfassers
  • 1. Meine Voreltern
  • 2. Mein Geburthstag
  • 3. Mein fernstes Denken
  • 4. Zeitumstände
  • 5. Schon in Gefahr
  • 6. Unsre Nachbauern im Näbis
  • 7. Wanderung in das Dreyschlatt
  • 8. Oekonomische Einrichtung
  • 9. Abänderungen
  • 10. Nächste Folgen von des Großvaters Tod
  • 11. Allerley wie's kömmt
  • 12. Die Bubenjahre
  • 13. Beschreibung unsers Guts Dreyschlatt
  • 14. Der Geißbube
  • 15. Wohin, und wie lang
  • 16. Vergnügen im Hirtenstand
  • 17. Verdruß und Ungemach
  • 18. Neue Lebensgefahren
  • 19. Kameradschaft
  • 20. Neue sonderbare Gemüthslage, und End des Hirtenstands
  • 21. Neue Geschäfte, neue Sorgen
  • 22. O der unseligen Wißbegierde
  • 23. Unterweisung
  • 24. Neue Cameradschaft
  • 25. Damalige häusliche Umstände
  • 26. Wanderung auf die Staig zu Wattweil
  • 27. Göttliche Heimsuchung
  • 28. Jetzt Taglöhner
  • 29. Wie? Schon Grillen im Kopf
  • 30. So geht's
  • 31. Immer noch Liebesgeschichten. Doch auch anderes mitunter
  • 32. Nur noch dießmal
  • 33. Es geht auf Reisen
  • 34. Abschied vom Vaterland
  • 34. Ist noch vom Schätzle
  • 36. Es geht langsam weiters
  • 37. Ein nagelneues Quartier
  • 38. Ein unerwarteter Besuch
  • 39. Was weiters
  • 40. O die Mütter, die Mutter
  • 41. Hin und her, her und hin
  • 42. Noch mehr dergleichen Zeug
  • 43. Noch einmal, und dann: Adieu Rothweil! Adieu auf ewig!
  • 44. Reise nach Berlin
  • 45. 's giebt ander Wetter!
  • 46. So bin ich denn wirklich Soldat?
  • 47. Nun geht der Tanz an
  • 48. Nebst anderm meine Beschreibung von Berlin
  • 49. Nun geht's bald weiters
  • 50. Behüte Gott Berlin! – Wir sehen einander nicht mehr
  • 51. Marschroute bis Pirna
  • 52. Muth und Unmuth
  • 53. Das Lager zu Pirna
  • 54. Einnahme des Sächsischen Lagers u.s.f
  • 55. Die Schlacht bey Lowositz
  • 56. Das heißt – wo nicht mit Ehren gefochten – doch glücklich entronnen
  • 57. Heim! Heim! Nichts als Heim!
  • 58. O des geliebten süssen Vaterlands!
  • 59. Und nun, was anfangen
  • 60. Heurathsgedanken
  • 61. Itzt wird's wohl Ernst gelten
  • 62. Wohnungsplane
  • 63. Das allerwichtigste Jahr
  • 64. Tod und Leben
  • 65. Wieder drey Jahre
  • 66. Zwey Jahre
  • 67. Und abermals zwey Jahre
  • 68. Mein erstes Hungerjahr
  • 69. Und abermals zwey Jahre!
  • 70. Nun gar fünf Jahre
  • 71. Das Saamenkorn meiner Authorschaft
  • 72. Und da
  • 73. Freylich manche harte Versuchung
  • 74. Wohlehrwürdiger, Hoch- und Wohlgelehrter Herr Pfarrer Johann Caspar Lavater!
  • 75. Dießmal vier Jahre
  • 76. Wieder vier Jahre
  • 77. Und nun, was weiters?
  • 78. Also?
  • 79. Meine Geständnisse
  • 80. Von meiner gegenwärtigen Gemüthslage. Item von meinen Kindern
  • 81. Glücksumstände und Wohnort
  • Anhang (1788):
  • Peter und Paul
  • Balz und Andres - ein Gespräch
  • Schreiben an meinen Sohn
  • Vorbericht des Herausgebers

    In einem der abgesöndertsten Winkeln des so wenig bekannten und oft verkannten Toggenburgs wohnt ein braver Sohn der Natur, der, wiewohl von allen Mitteln der Aufklärung abgeschnitten, sich einzig durch sich selbst zu einem ziemlichen Grade derselben hinaufgearbeitet hat.     Den Tag bringt er mit seiner Berufsarbeit zu. Einen Teil der Nacht, oft bis in die Mitte derselben, liest er, was ihm der Zufall oder ein Freund, oder nun auch seine eigene Wahl in die Hände liefert – oder schreibt auch seine Bemerkungen über sich und andere in der kunstlosen Sprache des Herzens nieder. Hier ist eine Probe davon. –     Finden Sie solche dem Geschmack Ihres lesenden Publikums angemessen, so sey Ihnen der freye Gebrauch davon überlassen. – Nicht allen behagen gleiche Gerichte, und so, denke ich, dürfte diese Darstellung der Schicksale und des häuslichen Lebens eines ganz gemeinen aber rechtschaffenen Mannes mit allen ihren schriftstellerschen Gebrechen dem eint und andern Leser des Museums wohl so willkommen und vielleicht auch ebenso nützlich seyn, als die mit Meisterhand entworfene Lebensbeschreibung irgend eines großen Staatsmannes oder Gelehrten.     Von der gleichen Feder sind noch mehrere kleine Aufsätze in meinen Händen, aus denen oft origineller Witz, muntere Laune, immer ein heller Kopf und ein offenes gutes, Gott und Menschen liebendes Herz hervorleuchtet. Ob auch diese mitgeteilt werden, wird die Aufnahme bestimmen, die dieses biographische Bruchstück findet.     Und du, mein Theurer! den ich als mein Pfarrkind herzlich liebe, als Freund schätze, und dessen Umgang für mein Gemüt so oft die süßeste Erholung von der Arbeit ist, sey nicht ungehalten auf mich, wenn du die Erzählung deiner Schicksale und die Schilderung deines Herzens, eigentlich nur zu deiner und deiner Kinder Belehrung aufgesetzt, ganz wider dein Vermuten hier öffentlich erblickest. Ich fand bey Durchlesung derselben so viel Vergnügen, daß ich der Reitzung, auch andere daran Theil nehmen zu lassen, nicht widerstehen konnte. Du, mein Lieber! lebe indessen in deiner glücklichen Verborgenheit immerhin fort. Du hast die Quelle des Glückes in deinem eigenen Herzen, und wer das hat, der bedarfs nicht, ein mehreres ängstlich außer sich zu suchen.     Und ihr, sonst zur Dunkelheit bestimmte Blätter, fliegt denn in die weite Welt! Und habt auch ihr die Wahrheit bekräftigt, daß ächte Weisheit und Tugend, an kein Land und an keinen Stand unter den Menschen gebunden, oft auch in der einsamen Hütte des Landmanns gesucht werden muß, so ist der Zweck eurer Bekanntmachung vollkommen erreicht.     Wattwil, den 6. Dezemb. 1787.

        Martin Imhof, Pfr

    Torna su

    Vorrede des Verfassers

    Obschon ich die Vorreden sonst hasse, muß ich doch ein Wörtchen zum voraus sagen, ehe ich diese Blätter, weiß noch selbst nicht mit was vor Zeug überschmiere. Was mich dazu bewogen? Eitelkeit? – Freylich! – Einmal ist die Schreibsucht da. Ich möchte aus meinen Papieren, von denen ich viele mit Eckel ansehe, einen Auszug machen. Ich möchte meine Lebenstage durchwandern, und das Merkwürdigste in dieser Erzählung aufbehalten. Ist's Hochmuth, Eigenliebe? Freylich! Und doch müßt' ich mich sehr mißkennen, wenn ich nicht auch andere Gründe hätte. Erstlich das Lob meines guten Gottes, meines liebreichen Schöpfers, meines beßten Vaters, dessen Kind und Geschöpf ich eben so wohl bin als Salomon und Alexander. Zweytens meiner Kinder wegen. Ich hätte schon oft weiß nicht was darum gegeben, wenn ich so eine Historie meines sel. Vaters, eine Geschichte seines Herzens und seines Lebens gehabt hätte. Nun, vielleicht kann's meinen Kindern auch so gehen, und dieses Büchlein ihnen so viel nützen, als wenn ich die wenige daran verwandte Zeit mit meiner gewohnten Arbeit zugebracht hätte. Und wenn auch nicht, so macht's doch mir eine unschuldige Freude, und ausserordentliche Lust, so wieder einmal mein Leben zu durchgehen. Nicht daß ich denke, daß mein Schicksal für andre etwas seltenes und wunderbares enthalte, oder ich gar ein besondrer Liebling des Himmels sey. Doch wenn ich auch das glaubte – wär's Sünde? Ich denke wieder Nein! Mir ist freylich meine Geschichte sonderbar genug; und vortrefflich zufrieden bin ich, wie mich die ewig weise Vorsehung bis auf diese Stunde zu leiten für gut fand. Mit welcher Wonne kehr' ich besonders in die Tage meiner Jugend zurück, und betrachte jeden Schritt, den ich damals und seither in der Welt gethan. Freylich, wo ich stolperte – bey meinen mannigfachen Vergebungen – o da schauert's mir – und vielleicht nur allzugeschwind werd' ich über diese wegeilen. Doch, wem wurd's frommen, wenn ich alle meine Schulden herzählen wollte – da ich hoffe, mein barmherziger Vater und mein göttlicher Erlöser haben sie, meiner ernstlichen Reue wegen, huldreich durchgestrichen. O mein Herz brennt schon zum Voraus in inniger Anbetung, wenn ich mich gewisser Standpunkte erinnere, wo ich vormals die Hand von oben nicht sah, die ich nachwärts so deutlich erkannte und fühlte. Nun, Kinder! Freunde! Geliebte! Prüfet alles, und das Gute behaltet.

    Torna su

    1. Meine Voreltern

    Dererwegen bin ich so unwissend als es Wenige seyn mögen. Daß ich Vater und Mutter gehabt, das weiß ich. Meinen sel. Vater kannt' ich viele Jahre, und meine Mutter lebt noch. Daß diese auch ihre Eltern gehabt, kann ich mir einbilden. Aber ich kannte sie nicht, und habe auch nichts von ihnen vernommen, ausser daß mein Großvater M.B. aus dem Käbisboden geheissen, und meine Großmutter (deren Namen und Heimath ich niemals vernommen) an meines Vaters Geburt gestorben; daher ihn denn ein kinderloser Vetter J.W. im Näbis, der Gemeind Wattweil, an Kindesstatt angenommen; den ich darum auch nebst seiner Frau für meine rechten Großeltern hielt und liebte, so wie sie mich hinwieder als ein Großkind behandelten. Meine müterlichen Großeltern hingegen kannt ich noch wohl; es war U.Z. und E.W. ab der Laad.     Mein Vater war sein Tage ein armer Mann; auch meine ganze Freundschaft hatte keinen reichen Mann aufzuweisen. Unser Geschlecht gehört zu dem Stipendigut. Wenn ich oder meine Nachkommen einen Sohn wollten studiren lassen, so hätte er 600. Gl. zu beziehen. Erst vorm Jahr war mein Vetter, E.B. von Kapel, Stipendi-Pfleger. Ich weiß aber noch von keinem B. der studiert hätte. Mein Vater hat viele Jahre das Hofjüngergeld bekommen; ist aber bey einer vorgenommenen Reformation, nebst andern Geschlechtern, welche, wie das seinige, nicht genugsame Urkunden darbringen mochten, ausgemerzt worden. Mit der Genossami des Stipendii hingegen hat es seine Richtigkeit, obschon ich auch nicht recht weiß, wie es gestiftet worden, wer von meinen Voreltern dazu geholfen hat, u.s.f.     Ihr seht also, meine Kinder, daß wir nicht Ursache haben, ahnenstolz zu seyn. Alle unsre Freunde und Blutsverwandte sind unbemittelte Leuthe, und von allen unsern Vorfahren hab' ich nie nichts anders gehört. Fast von keinem, der das geringste Aemtli bekleidete. Meines Großvaters Bruder war Mesmer zu Kapel, und sein Sohn Stipendipfleger. Das ist's alles aus der ganzen weitläuftigen Verwandschaft. Da können wir ja wohl vor dem Hochmuth gesichert seyn, der so viele arme Narren anwandelt, wenn sie reiche und angesehene Vettern haben, obgleich ihnen diese keinen Pfifferling geben. Nein! Von uns B. quält, Gott Lob! diese Sucht, so viel ich weiß keinen einzigen; und ihr seht, meine Kinder! daß sie auch mich nicht plagt – sonst hätt' ich wenigstens unserm Stammbaum genauer nachgeforscht. Ich weiß, daß mein Großvater und desselben Vater arme Leuthe waren, die sich kümmerlich nähren mußten; daß mein Vater keinen Pfenning erbte; daß ihn die Noth sein Lebenlang drückte, und er nicht selten über seinen kleinen Schuldenlast seufzte. Aber deswegen schäm' ich mich meiner Eltern und Voreltern bey weitem nicht. Vielmehr bin ich noch eher ein Bischen stolz auf sie. Denn, ihrer Armuth ungeachtet, hab' ich von keinem Dieb, oder sonst einem Verbrecher den die Justitz hätte straffen müssen, von keinem Lasterbuben, Schwelger, Flucher, Verleumder u.s.f. unter ihnen gehört; von keinem, den man nicht als einen braven Biedermann mußte gelten lassen; der sich nicht ehrlich und redlich in der Welt nährte; von keinem der betteln gieng. Dagegen kannt' ich wirklich recht manchen wackern, frommen Mann, mit zartem Gewissen. Das ist's allein, worauf ich stolz bin, und wünsche, daß auch Ihr stolz darauf werdet, meine Kinder! daß wir diesen Ruhm nicht besudeln, sondern denselben fortzupflanzen suchen. Und eben das möcht' ich Euch recht oft zu Gemüthe führen, in dieser meiner Lebensgeschichte.

    Torna su

    2. Mein Geburthstag (22. Dezembr. 1735.)

    Für mich ein wichtiger Tag. Ich sey ein Bischen zu früh auf der Welt erschienen, sagte man mir. Meine Eltern mußten sich dafür verantworten. – Mag seyn, daß ich mich schon in Mutterleibe nach dem Tageslichte gesehnt habe – und dieß nach dem Licht sehnen geht mir wohl all mein Tage nach! Daneben war ich die erste Kraft meines Vaters – und Dank sey ihm unter der Erde, von mir auch dafür gesagt! Er war ein hitziger Mann, voll warmen Blutes. O ich habe schon tausendmal drüber nachgedacht, und mir bisweilen einen andern Ursprung gewünscht, wenn flammende Leidenschaften in meinem Busen tobten, und ich den heftigsten Kampf mit ihnen bestehen mußte. Aber, sobald Sturm und Wetter vorbey war, dankt' ich ihm doch wieder, daß er mir sein feuriges Temperament mitgetheilt hat, womit ich unzählige schuldlose Freuden lebhafter als so viele andere Leuthe geniessen kann. Genug, an diesem 22. Dez. kam ich ans Tageslicht. Mein Vater sagte mir oft: Er habe sich gar nicht über mich gefreut: Ich sey ein armes elendes Geschöpf gewesen; nichts als kleine Beinerchen, mit einem verschrumpften Häutgen überzogen; Und doch hätt' ich Tag und Nacht ein gräßliches Zettergeschrey erhoben, das man bis ins Holz hören konnte, u.s.f. Er hat mich oft recht bös damit gemacht. Dachte: Ha, ich werd's auch gemacht haben, wie andre neugeborne Kinder! Aber die Muter gab ihm allemal Beyfall. Nun, es kann seyn.     Am H. Weihnachtstag ward ich getauft, in Wattweil; und ich freute mich schon oft, daß es gerad an diesem Tage geschah, da wir die Geburt unsers Hochgelobten Erlösers feyern. Und wenn's eine einfältige Freude ist, was macht's – giebt's doch gewiß noch viel kindischre? H.G.H. von Kapel aus der Au, und A.M.M. aus der Schamatten, waren meine Taufpathen; Er ein feuriger reicher Junggesell, Sie eine bemittelte hübsche Jungfer. Er starb ledig; sie lebt noch im Wittwenstand.     In meinen ersten Lebensjahren mag ich wohl ein wenig verzärtelt worden seyn, wie's gewöhnlich mit allen ersten Kindern geht. Doch wollte mein Vater schon frühe genug mit der Ruthe auf mich dar; aber die Mutter und Großmutter nahmen mich in Schutz. Mein Vater war wenig daheim; er brennte hie und da im Land und an benachbarten Orten Salpeter. Wenn er dann wieder nach Hause kam, war er mir fremd. Ich floh ihn. Dies verdroß den guten Mann so sehr, daß er mich mit der Ruthe zahm machen wollte. (Diese Thorheit begehen viele neuangehende Väter, und fordern nämlich von ihren ersten Kindern aus pur lauter Liebe, daß sie eine eben so zärtliche Neigung gegen sie wie gegen ihre Mütter zeigen sollten. Und so hab' ich auch bey mir und viel andern Vätern wahrgenommen, daß sie ihre Erstgeborenen unter einer ungereimt scharfen Zucht halten, die dann bis zu den letzten Kindern nach und nach völlig erkaltet.)

    Torna su

    3.Mein fernstes Denken (1738)

    Gewiß kann ich mich so weit hinab – oder hinauf – wo nicht gar bis auf mein zweytes Lebensjahr zurückerinnern. Ganz deutlich besinn' ich mich, wie ich auf allen Vieren einen steinigten Fußweg hinabkroch, und einer alten Baase durch Gebehrden Aepfel abbetelte. – Ich weiß gewiß, daß ich wenig Schlaf hatte – daß meine Muter, um hinter den Großeltern einen geheimen Pfenning zu verdienen, des Nachts verstohlner Weise beym Licht gesponnen – daß ich dann nicht in der Kammer allein bleiben wollte, und sie darum eine Schürze auf den Boden spreiten mußte, mich nackt darauf setzte, und ich mit dem Schatten und ihrer Spindel spielte. – Ich weiß, daß sie mich oft durch die Wiese auf dem Arm dem Vater entgegentrug; und daß ich dann ein Mordiogeschrey anfieng, sobald ich ihn erblickte, weil er mich immer rauh anfuhr, wenn ich nicht zu ihm wollte. Seine Figur und Geberden die er dann machte, seh' ich jetzt noch wie lebendig vor mir.

    Torna su

    4. Zeitumstände

    Um diese Zeit waren alle Lebensmittel wohlfeil; aber wenig Verdienst im Lande. Die Theurung und der Zwölferkrieg waren noch in frischem Angedenken. Ich hörte meine Mutter viel davon erzählen, das mich zittern und beben machte. Erst zu End der Dreyßigerjahre ward das Baumwollenspinnen in unserm Dorf eingeführt; und meine Muter mag eine von den ersten gewesen seyn, die Löthligarn gesponnen. (Unser Nachbar, A.F. trug das erste um einen Schilling Lohn an den Zürchsee, bis er eine eigne Dublone vermochte. Dann fieng er selber an zu kaufen, und verdiente nach und nach etlich tausend Gulden. Da hörte er auf, setzte sich zur Ruhe, und starb.) In meinen Kinderjahren sind auch die ersten Erdapfel in unserm Ort gepflanzt worden.

    Torna su

    5. Schon in Gefahr (1739)

    Sobald ich die ersten Hosen trug, war ich meinem Vater schon lieber. Er nahm mich hie und da mit sich. Im Herbst d.J. brannte er im Gandten, eine halbe Stunde von Näbis entfernt, Salpeter. Eines Tags nahm er mich mit sich; und, da Wind und Wetter einfiel, behielt er mich zu Nacht bey sich. Die Salpeterhütte war vor dem Tenn, und sein Bett im Tenn. Er legte mich darein und sagte liebkosend, er wolle bald auch zu mir liegen. Unterdessen fuhr er fort zu feuern, und ich schlief ein. Nach einem Weilchen erwacht' ich wieder, und rief ihm – Keine Antwort. – Ich stund auf, trippelte im Hemdli nach der Hütte und um den Gaden überall herum, rief – schrie! Nirgends kein Vater. Nun glaubt ich gewiß, er wäre heim zu der Mutter gegangen. Ich also hurtig, legte die Höslin an, nahm das Brusttüchlin übern Kopf, und rannte in der stockfinstern Regennacht zuerst über die nächstanstossende lange Wiese. Am End derselben rauschte ein wildangelaufener Bach durch ein Tobel. Den Stäg könnt' ich nicht finden, und wollte darum ohne weiters und gerade hinüber, dem Näbis zu; glitschte aber über eine Riese zum Bach hinab, wo mich das Wasser beynahe ergriffen hätte. Die äusserste Anstrengung meiner jugendlichen Kräfte half mir noch glücklich davon. Ich kroch wieder auf allen Vieren durch Stauden und Dörn' hinauf der Wiese zu, auf welcher ich überall herumirrte, und den Gaden nicht mehr finden konnte – als ich gegen einer Windhelle zwey Kerls – Birn- oder Aepfeldiebe – auf einem Baum ansichtig ward. Diesen ruft ich zu, sie sollten mir doch auf den Weg helfen. Aber da war kein Bescheid; vielleicht daß sie mich für ein Ungeheuer hielten, und oben im Gipfel noch ärger zittern mochten, als ich armer Bube unten im Koth. – Inzwischen war mein Vater, der während meinem Schlummer nach einem ziemlich entfernten Haus gieng, etwas zu holen, wieder zurückgekehrt. Da er mich vermißte, suchte er in allen Winkeln nach, wo ich mich etwa mögte verkrochen haben; zündete bis in die siedenden Kessel hinein, und hörte endlich mein Geschrey, dem er nachgieng, und mich nun bald ausfindig machte. O, wie er mich da herzte und küßte, Freudenthränen weinte und Gott dankte, und mich, sobald wir zum Gaden zurückkamen, sauber und trocken machte – denn ich war mausnaß, dreckigt bis über die Ohren, und hatte aus Angst noch in die Hosen ... Morndeß am Morgen führte er mich an der Hand durch die Wiese: Ich sollt ihm auch den Ort zeigen, wo ich heruntergepurzelt. Ich könnt' ihn nicht finden: Zuletzt fand Er ihn an dem Geschlirpe, das ich beym Hinabrutschen gemacht; schlug dann die Händ' überm Kopf zusamen, vor Entsetzen über die Gefahren worinn ich geschwebt, und vor Lob und Preis über die Wunderhand Gottes, die mich allein erretten konnte: »Siehst du,« sprach er, »nur noch wenige Schritte, so stürzt der Bach über den Felsen hinab. Hätt' dich das Wasser fassen können, so lägst du dort unten todt und zermürset!« Von allem diesem begriff ich damals kein Wort; ich wußte nur von meiner Angst, nichts von Gefahr. Besonders aber schwebten die Kerle auf dem Baum mir viele Jahre vor Augen, sobald mich nur ein Wort an die Geschichte erinnerte.     Gott! Wie viele tausend Kinder kämen auf eine elende Art ums Leben, wenn nicht deine schützenden Engel über sie wachten. Und, o wie gut hat auch der meinige über mich gewacht, Lob und Preis sey dir dafür noch heute von mir gebracht, und in alle Ewigkeit!

    Torna su

    22. O der unseligen Wißbegierde

    Ich bin in meinen Kinderjahren nur wenige Wochen in die Schule gegangen; bey Haus hingegen mangelte es mir gar nicht an Lust, mich in mancherley unterweisen zu lassen. Das Auswendiglernen gab mir wenig Müh: Besonders übt' ich mich fleißig in der Bibel; konnte viele darinn enthaltene Geschichten aus dem Stegreif erzählen, und gab sonst überhaupt auf alles Achtung, was mein Wissen vermehren konnte. Mein Vater las' auch gern etwas Historisches oder Mystisches. Gerad um diese Zeit gieng ein Buch aus, der flüchtige Pater genannt. Er und unser Nachbar Hans vertrieben sich manche liebe Stunde damit, und glaubten an den darinn prophezeyten Fall des Antichrists, und die dem End der Welt vorgehnden nahen Strafgerichte, wie an's Evangelium. Auch Ich las viel darinn; predigte etlichen unsrer Nachbarn mit einer ängstlich andächtigen Miene, die Hand vor die Stirn gestemmt, halbe Abende aus dem Pater vor, und gab ihnen alles vor baare Münz aus; und dieß nach meiner eignen völligsten Ueberzeugung. Mir stieg nur kein Gedanke auf, daß ein Mensch ein Buch schreiben könnte, worinn nicht alles pur lautere Wahrheit wäre; und da mein Vater und der Hans nicht daran zweifelten, schien mir alles vollends Ja und Amen zu seyn. Aber das brachte mich dann eben auf allerley jammerhafte Vorstellungen. Ich wollte mich gern auf den bevorstehnden Jüngsten Tag recht zubereiten; allein da fand ich entsetzliche Schwierigkeiten, nicht so fast in einem bösen Thun und Lassen, als in meinem oft argen Sinn und Denken. Dann wollt ich mir wieder Alles aus dem Kopf schlagen; aber vergebens, wenn ich zumal unterweilen auch in der Offenbarung Johannis oder im Propheten Daniel las, so schien mir alles das, was der Pater schrieb, vollends gewiß und unfehlbar. Und was das Schlimmste war, so verlor ich ob dieser Ueberzeugung gar alle Freud' und Muth. Wenn ich dann im Gegentheil den Aeti und den Nachbar fast noch fröhlicher sah als zuvor, machte mich solches gar confus; und kann ich mir's noch itzund nicht erklären, wie das zugieng. So viel weiß ich wohl, sie steckten damals beyde in schweren Schulden, und hoften vielleicht durch das End der Welt davon befreyt zu werden: Wenigstens hört' ich sie oft vom Neufunden Land, Carolina, Pensylvani und Virgini sprechen; ein andermal überhaupt von einer Flucht, vom Auszug aus Babel, von den Reisekosten u.dgl. Da spitzt ich dann die Ohren wie ein Haas. Einmal, erinnr' ich mich, fiel mir wirklich ein gedrucktes Blatt in die Hände, das einer von ihnen auf dem Tisch liegen ließ, und welches Nachrichten von jenen Gegenden enthielt. Das las' ich wohl hundertmal; mein Herz hüpfte mir im Leib bey dem Gedanken an dieß herrliche Canaan, wie ich mir's vorstellte. Ach! wenn wir nur alle schon da wären, dacht' ich dann. Aber die guten Männer, denk' ich, wußten eben so wenig als ich, weder Steg noch Weg; und wahrscheinlich noch minder, wo das Geld herzunehmen. Also blieb das schöne Abentheur stecken, und entschlief nach und nach von selbst. Indessen las ich immer fleißig in der Bibel; doch noch mehr in meinem Pater, und andern Büchern; unter anderm in dem sogenannten Pantli Karrer, und dann in dem weltlichen Liederbuch, dessen Titel mir entfallen ist. Sonst vergaß ich, was ich gelesen, nicht so bald. Allein mein unruhiges Wesen nahm dabey sichtbarlich zu, so sehr ich mich auf mancherley Weise zu zerstreuen suchte; und, was das Schlimmste war, so hat ich das Herz nie, dem Pfarrer, oder auch nur dem Vater hievon das Mindeste zu offenbaren.

    Torna su

    23. Unterweisung (1752)

    Indessen wundert' es mich doch bisweilen sehr, wie mein Vater und der Pfarrer von diesem und jenem Spruch in der Bibel, von diesem und jenem Büchlin denke. Letztrer kam oft zu uns, selbst zu Winterszeit, wenn er schier im Schnee stecken blieb. Da war ich sehr aufmerksam auf alle Discurse, und merkte bald, daß sie meist bey Weitem nicht einerley Meinung waren. Anfangs kam's mir unbegreiflich vor, wie doch der Aeti so frech seyn, und dem Pfarrer widersprechen dürfe? Dann dacht ich auf der andern Seite wieder: Aber mein Vater und der flüchtige Pater zusammen sind doch auch keine Narren, und schöpfen ihre Gründe ja wie jener aus der gleichen Bibel. Das ging dann in meinem Sinn so hin und her, bis ich's etwa wieder vergaß, und andern Fantaseyen nachhieng. Inzwischen kam ich in dem nämlichen Jahr zu diesem Pfarrer, Heinrich Näf von Zürich, in die Unterweisung zum H. Abendmal. Er unterrichtete mich sehr gut und gründlich, und war mir in der Seele lieb. Oft erzählt' ich meinem Vater ganze Stunden lang, was er mit mir geredet hatte; und meynte dann, er sollte davon so gerührt werden wie ich. Bisweilen that er, mir zu gefallen, wirklich dergleichen; aber ich merkte wohl, daß es ihm nicht recht zu Herzen gieng. Doch sah ich auch, daß er überhaupt Wohlgefallen an meinen Empfindungen und an meiner Aufmerksamkeit hatte. Nachwerts ward dieser Heinrich Näf Pfarrer gen Humbrechtikon am Zürichsee; und seither, glaub' ich, kam er noch näher an die Stadt. Noch auf den heutigen Tag ist meine Liebe zu ihm nicht erloschen. Viel hundertmal denk' ich mit gerührter Seele an dieses redlichen Manns Treu und Eifer; an seinen liebevollen Unterricht, welchen ich von seinen holdseligen Lippen sog, und den mein damals gewiß auch für das Gute weiche und empfängliche Herz so begierig aufnahm. - O der redlichen Vorsätze und heiligen Entschlüsse, die ich so oft in diesen unvergeßlichen Stunden faßte! Wo seyt ihr geblieben? Welchen Weg seyt ihr gegangen? Ach! wie oft seyt ihr von mir zurückgerufen, und dann leider doch wieder verabscheidet worden! - O Gott! Wie freudig gieng ich stets aus dem Pfarrhause heim, nahm gleich das Buch wieder zur Hand, und erfrischte damit das Angedenken an die empfangenen heilsamen Lehren. Aber dann war eben bald alles wieder verflogen. Doch selbst in spätern Tagen - sogar in Augenblicken, wo Lockungen von allen Seiten mir die süssesten Minen machten, und mich bereden wollten, das Schwarze sey wo nicht Weiß, doch Grau - stiegen mir meines ehemaligen Seelsorgers treugemeinte Warnungen noch oft zu Sinn, und halfen mir in manchem Scharmützel mit meinen Leidenschaften, den Sieg erringen. Was ich mir aber noch zu dieser Stunde am wenigsten vergeben kann, ist mein damaliges öfteres Heucheln, und daß ich, selbst wenn ich mir keines eigentlichen Bösen bewußt war, doch immer noch besser scheinen wollte, als ich zu seyn mich fühlte. Endlich - ich weiß es selbst nicht - war vielleicht auch das ein Tuck des armen Herzens: Daß ich z.E. oft, und zwar wenn ich ganz allein bey der Arbeit war, wirklich mit grösserer Lust etliche geistliche Lieder, die ich von meiner Mutter gelernt, als meine weltlichen Quodlibet sang - dann aber freylich allemal wünschte: Daß mich mein Vater itzt auch hören möchte, wie er mich sonst meist nur über meinem losen Lirum Larum ertappte. O wie gut wär's für Eltern und Kinder, wenn sie mehr, und so viel immer möglich, beysammen wären.

    Torna su

    26. Wanderung auf die Staig zu Wattweil (1754)

    Mitten im Merz dieses Jahrs zogen wir also mit Sack und Pack aus dem Dreyschlatt weg, und sagten diesem wilden Ort auf ewig gute Nacht! Noch lag dort klaftertiefer Schnee. Von Ochs oder Pferd war da keine Rede. Wir mußten also unsern Hausrath und die jüngern Geschwister auf Schlitten selbst fortzügeln. Ich zog an dem meinigen wie ein Pferd, so daß ich am End fast athemlos hinsank. Doch die Lust, unsre Wohnung zu verändern, und einmal auch im Thal, in einem Dorf, und unter Menschen zu leben, machten mir die saure Arbeit lieb. Wir langten an. Das muß ein rechtes Canaan seyn, dacht' ich; denn hier guckten die Grasspitzen schon unterm Schnee hervor. Unser Gütlin, das wir zu Lehen empfangen hatten, stuhnd voll grosser Bäume; und ein Bach rollte angenehm mitten durch. Im Gärtlin bemerkt' ich einen Zipartenbaum. Im Haus hatten wir eine schöne Aussicht das Thai hinauf. Aber übrigens, was das vor eine dunkle, schwarze, wurmstichige Rauchhütte war! Lauter faule Fußboden und Stiegen; ein unerhörter Unflath und Gestank in allen Gemächern. Aber das alles war noch nichts gegen den lebendigen Einsiegel, den wir im Haus haben mußten: Ein abscheuliches Bettelmensch, das sich besoff, so oft es ein Kirchenalmosen erhielt, und auf diese Art zu Wein kam; dann in der Trunkenheit sich mutternackt auszog, und so im Haus herumsprang und pfiff; auch, wenn man ihm das geringste einreden wollte, ein Fluchen und Lamentiren erhob, wie eine Besessene; weswegen es zwar zum öftern den Rinderriemen bekam, das aber nur aus Uebel ärger machte. Dieß Ungeheuer war dann noch über alles aus sehr erpicht auf junge Leuthe, und wollte - Puh! mir schaudert's jetzt noch - auch mich anpacken. Das war für mich eine ganz neue Erscheinung; ich redete mit meinem Vater davon, doch ohne jener Versuchung eigentlich zu erwähnen; der sagte mir dann, was eine Katze sey. Nun bekam ich erst einen solchen Eckel vor diesem Thier, daß mir ein Stich durch alle Adern gieng, so oft es mir unter Augen kam.

    Torna su

    27. Göttliche Heimsuchung

    Wenige Tage nach unsrer Ankunft ward ich mit einem heftigen Frost und Fieber befallen. Ob mir das plötzliche Vertauschen der frischen Bergluft mit der im Thal, oder die unreinliche Wohnung, oder dann ein schon mitgebrachter Stoff dazu im Körper, oder endlich gar der Abscheu vor dem entsetzlichen Geschöpfe, das Uebel zugezogen, weiß ich selbst nicht. Einmal zuvor war, aussert etwa leichten Kopf- und Zahnschmerzen, jedes andre Uebelbehagen mir ganz unbekannt. Man ließ den lieben Herrn Docktor Müller kommen; er verordnete mir eine doppelte Aderlässe, zweifelte aber gleich beym ersten Anblick selber an meinem Aufkommen. Am dritten Tag glaubt' ich, nun sey's gewiß mit mir aus, da mir mein armer Kopf beynahe zerspringen wollte. Ich rang, wimmerte, krümmte mich wie ein Wurm, und stuhnd Höllenangst aus: Tod und Ewigkeit kamen mir schröcklich vor. Meinem Vater, der sich fast nie von mir entfernte, und oft ganz allein um mich war, beichtete ich in einem solchen Augenblick alles was mir auf dem Herzen lag, sonderlich auch wegen den Verfolgungen des vorerwähnten Unholds, der mir viel zu schaffen machte. Der gute Aeti erschrack entsetzlich, und fragte mich: Ob ich denn mit dem Thier etwas Böses gethan? »Nein, gewiß nicht, Vater!« (antwortete ich schluchzend) »aber das Ungeheur wollt' mich eben dazu bereden; und ich hab's dir verschwiegen. Das nun, fürcht' ich, sey eine grosse Sünd'«. »Sey nur ruhig, mein Sohn!« (versetzte mein Vater) »Halt' dich im Stillen zu Gott. Er ist gütig, und wird dir deine Sünden vergeben«. Dieß einzige Wort des Trosts machte mich gleichsam wieder aufleben. O wie eifrig gelobt' ich in diesem Augenblick, ein ganz andrer Mensch zu werden, wenn ich's länger auf Erden treiben sollte. Indessen gab's noch verschiedene Ruckfälle: Einmal wußt' ich 24. Stunden lang nichts mehr von mir selber; aber dieß war die Crisis. Beym Erwachen fühlt' ich zwar meine Schmerzen wieder, doch in weit geringerm Grade; und was für mich viel wichtiger war, die bangen angsthaften Gedanken blieben völlig aus. Der Doktor fieng an Hoffnung zu schöpfen, und ich nicht minder; und kurz, es ließ sich täglich mehr zur Besserung an, bis ich (Gott und meinem geschickten Arzt sey's ewig gedankt) freylich erst nach etlichen Wochen, wieder ganz auf die Beine kam. Aber das Thiermensch, das wir im Haus hatten, und dulden mußten, war mir jtzt unausstehlicher als jemals. Mich und alle meine Geschwister überhäufte es mit den unfläthigsten Schimpfworten. Während meiner Krankheit sagte es mir oft ins Gesicht: Ich sey ein muthwilliger Bankert; es fehle mir nichts; man sollte mir statt Arzneyen die Ruthe geben, u.d. gl. Ich bat also meinen Vater, so hoch ich konnte: Er soll doch die Creatur uns vom Hals schaffen, sonst könnt' ich in Ewigkeit nicht vollkommen gesund werden. Aber es war unmöglich; vor einmal wollt' sie uns niemand abnehmen. Wenn sie's gar zu schlimm machte, liessen wir sie, wie gesagt, karbatschen. Aber zuletzt wollt' uns auch diesen Dienst niemand mehr leisten; denn jedermann fürchtete sich vor ihr, wie vor dem bösen Geist. Mit guten Worten kam man ihr gewissermassen noch am leichtesten bey. Was indessen mir als die allerherbste Prüfung vorkam, war dieses: Daß ich und meine Geschwister in ihrer Gesellschaft mit Baumwollen-Kämmen und Spinnen unsern Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Sommer anrückte, half ich mir damit, daß ich meine Arbeit, so viel's immer die Witterung zuließ, ausser dem Haus verrichtete.

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    28. Jetzt Taglöhner

    »Danke deinem Schöpfer«! (sagte inzwischen eines Tags mein Vater zu mir) »Er hat dein Flehen erhört, und dir von Neuem das Leben geschenkt. Ich zwar, ich will dir's nur gestehen, dachte nicht, wie du, Uli, und hätt' dich und mich nicht unglücklich geschätzt, wenn du dahingefahren wärst. Denn, Ach! Grosse Kinder, grosse Sorgen! Unsre Haushaltung ist überladen - Ich hab' kein Vermögen - Keins von Euch kann noch sicher sein Brodt gewinnen - Du bist der Aelteste. Was willst du nun anfangen? In der Stube hocken, und mit der Baumwolle handthieren, seh ich wohl, magst du nicht. Du wirst müssen tagmen«. »Was du willst, mein Vater«! antwortet' ich: »Nur, ja, nicht ofenbruten«! Wir waren bald einig. Der damalige Schloßbauer, Weibel K. nahm mich zum Knecht an. Von meiner überstandenen Krankheit war ich noch ziemlich abgemattet; aber mein Meister, als ein vernünftiger und stets aufgeräumter Mann, trug alle Geduld mit mir, um so viel mehr da er eigne Buben von gleichem Schrot hatte. Die meiste Zeit mußt' er seinen Amtsgeschäften nach; dann gieng's freylich oft bunt über Eck. Indessen gab er mir auch blutwenig Lohn, und die Frau Bäurin ließ uns manchmal bis um 10. Uhr nüchtern. Bey strenger Arbeit aber erhielten wir auch immer bessre Kost. Bisweilen brachten wir ihm etwas Wildpret, einen Vogel oder Fisch nach Haus; das ließ er sich vortrefflich schmecken. Eines Tags erbeuteten wir ein ganzes Nest voll junger Krähen; die mußt' ihm seine Hausehre wunderbar präpariren. Er verschlang mit ungeheurer Lust alle bis auf die letzte. Aber mit Eins gab's eine Rebellion im Magen. Er sprang vom Stuhl, und rannte todtblaß und schnellen Schrittes den Saal auf und nieder, wo die Füß und Federn noch überall zerstreut am Boden lagen! Endlich schneutzt er uns Buben mit lächerlichem Grimm an: »Thut mir das Schinderszeug da weg, oder ich k ... Euch hunderttausend Dotzend von Euern Bestien heraus. Einmal in meinem Leben solche schwarze Teufel gefressen, und nimmermehr«! Dann legte sich der launigte Mann zu Bethe, und mit einem tüchtigen Schweiß gieng alles vorbey.     Auch mein Bruder Jakob verrichtete um die nämliche Zeit ähnliche Knechtendienst'. Die Kleinern hingegen mußten in den Stunden neben der Schule spinnen. Unter diesen war Georg ein besonders lustiger Erzvogel. Wenn man ihn an seinem Rädchen glaubte, saß er auf einem Baum, oder auf dem Dach, und schrie, Guckuck! »Du fauler Lecker«! hieß es dann etwa von Seite der Mutter, wenn sie ihn so in den Lüften erblickte; und von seiner: »Ich will kommen wenn du mich nicht schlagen willst; sonst steig ich dir bis in Himmel auf«! Was war da zu thun? Man mußte meist des Elends lachen.

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    48. Nebst anderm meine Beschreibung von Berlin

    Berlin ist der größte Ort in der Welt, den ich gesehen; und doch bin ich bey weitem nie ganz darinn herumgekommen. Wir drey Schweitzer machten zwar oft den Anschlag zu einer solchen Reise; aber bald gebrach's uns an Zeit, bald an Geld, oder wir waren von Strapazzen so marode, das wir uns lieber der Länge nach hinlegten.     Die Stadt Berlin - doch viele sagen, sie bestehe aus sieben Städten - Aber unser einem hat man nur drey genennt: Berlin, Neustadt und Friedrichsstadt. Alle drey sind in der Bauart verschieden. In Berlin - oder Cöl, sagt man auch - sind die Häuser hoch, wie in den Reichsstädten, aber die Gassen nicht so breit, wie in Neu- und Friedrichsstadt, wo hingegen die Häuser niedriger aber egaler gebauen sind; denn da sehen auch die kleinsten derselben, oft von sehr armen Leuthen bewohnt, doch wenigstens sauber und nett aus. An vielen Orten giebt es ungeheuer grosse läre Plätze, die theils zum Exerciren und zur Parade, theils zu gar nichts gebraucht werden; ferners Aecker, Gärten, Alleen, alles in die Stadt eingeschlossen. - Vorzüglich oft giengen wir auf die lange Brücke, auf deren Mitte ein alter Markgraf von Brandenburg, zu Pferd in Lebensgrösse, von Erzt gegossen steht, und etliche Enackssöhne mit krausen Haaren zu seinen Füssen gefesselt sitzen - dann der Spree nach, aufs Weidendamm, wo's gar lustig ist - dann ins Lazareth, zu G *. und B *. - um dort das traurigste Specktakel unter der Sonne zu sehn, wo einem, der nicht gar ein Unsinniger ist, die Lust zu Ausschweifungen bald vergehen muß: In diesen Gemächern, so geräumig wie Kirchen, wo Beth an Beht gereihet steht, in deren jedem ein elender Menschensohn auf seine eigene Art den Tod, und nur wenige ihre Genesung erwarten: Hier ein Dutzend, die unter den Händen der Feldscheerer ein erbärmliches Zettergeschrey erheben; dort andre, die sich unter ihren Decken krümmen, wie ein halb zertretener Wurm; viele mit an- und weggefaulten Gliedern, u.s.f. Meist mochten wir's da nur wenige Minuten aushalten, und giengen dann wieder an Gottes Luft, setzten uns auf einen Rasenplatz; und da führte unsre Einbildungskraft uns fast immer, unwillkührlich, in unser Schweitzerland zurück, und erzählten wir einander unsre Lebensart bey Hause; wie wohl's uns war, wie frey wir gewesen, was es hingegen hier vor ein verwünschtes Leben sey, u.d.gl. Dann machten wir Plane zu unsrer Entledigung. Bald hatten wir Hofnung, daß uns heut oder morgens einer derselben gelingen möchte; bald hingegen sahen wir vor jedem einen unübersteiglichen Berg; und noch am meisten schreckte uns die Vorstellung der Folgen eines allenfalls fehlschlagenden Versuches. Bald alle Wochen hörten wir nämlich neue ängstigende Geschichten von eingebrachten Deserteurs, die, wenn sie noch so viele List gebraucht, sich in Schiffer und andre Handwerksleuthe, oder gar in Weibsbilder verkleidt, in Tonen und Fässer versteckt, u.d.gl. dennoch ertappt wurden. Da mußten wir zusehen, wie man sie durch 200. Mann, achtmal die lange Gasse auf und ab Spißruthen laufen ließ, bis sie athemlos hinsanken - und des folgenden Tags aufs neue dran mußten; die Kleider ihnen vom zerhackten Rücken heruntergerissen, und wieder frisch drauf losgehauen wurde, bis Fetzen geronnenen Bluts ihnen über die Hosen hinabhingen. Dann sahen Schärer und ich einander zitternd und todtblaß an, und flüsterten einander in die Ohren: »Die verdammten Barbaren«! Was hiernächst auch auf dem Exerzierplatz vorgieng, gab uns zu ähnlichen Betrachtungen Anlaß. Auch da war des Fluchens und Karbatschens von prügelsüchtigen Jünkerlins, und hinwieder des Lamentierens der Geprügelten kein Ende. Wir selber zwar waren immer von den ersten auf der Stelle, und tummelten uns wacker. Aber es that uns nicht minder in der Seele weh, andre um jeder Kleinigkeit willen so unbarmherzig behandelt, und uns selber so, Jahr ein Jahr aus, coujoniert zu sehn; oft ganzer fünf Stunden lang in unsrer Montur eingeschnürt wie geschraubt stehn, in die Kreutz und Querre pfahlgerad marschieren, und ununterbrochen blitzschnelle Handgriffe machen zu müssen; und das alles auf Geheiß eines Offiziers, der mit einem furiosen Gesicht und aufgehobnem Stock vor uns stuhnd, und alle Augenblick wie unter Kabisköpfe drein zu hauen drohete. Bey einem solchen Traktament mußte auch der starknervigste Kerl halb lahm, und der geduldigste rasend werden. Und kamen wir dann todmüde ins Quartier, so giengs schon wieder über Hals und Kopf, unsre Wäsche zurecht zu machen, und jedes Fleckgen auszumustern; denn bis auf den blauen Rock war unsre ganze Uniform weiß. Gewehr, Patrontasche, Kuppel, jeder Knopf an der Montur, alles mußte spiegelblank geputzt seyn. Zeigte sich an einem dieser Stücke die geringste Unthat, oder stand ein Haar in der Frisur nicht recht, so war, wenn er auf den Platz kam, die erste Begrüßung eine derbe Tracht Prügel. Das währte so den ganzen May und Juni fort. Selbst den Sonntag hatten wir nicht frey; denn da mußten wir auf das properste Kirchenparade machen. Also blieben uns zu jenen Spaziergängen nur wenige zerstreute Stunden übrig, und wir hatten kurz und gut zu nichts Zeit übrig - als zum Hungerleiden. - Wahr ist's, unsre Offiziere erhielten gerade damals die gemessenste Ordre, uns über Kopf und Hals zu mustern; aber wir Rekruten wußten den Henker davon, und dachten halt, das sey sonst so Kriegsmanier. Alte Soldaten vermutheten wohl so etwas, schwiegen aber mausstill. - Indessen waren Schärer und ich blutarm geworden; und was uns nicht an den Hintern gewachsen war, hatten wir alles verkauft. Nun mußten wir mit Brodt und Wasser (oder Covent, das nicht viel besser als Wasser ist) vorlieb nehmen. Mittlerweile war ich von Zittemann weg, zu Wolfram und Meevis ins Quartier kommen, von denen der erstre ein Zimmermann, der andre ein Schuster war, und beyde einen guten Verdienst hatten. Mit diesen macht' ich Anfangs ebenfalls Menage. Sie hatten so ihren Bauerntisch: Suppen und Fleisch, mit Erdapfeln und Erbsen. Jeder schoß zu einem Mittagsmahl zwey Dreyer: Abends und zum Frühstück lebte jeder für sich. Ich aß besonders gern einen Ochsenpfoten, einen Häring, oder ein Dreyerkäsgen. Nun aber konnt' ich's nicht mehr mit ihnen halten; zu verkaufen hatt' ich nichts mehr, und mein Sold gieng meist für Wäsche, Puder, Schuhwar, Kreide, Schmirgel, Oel und anderes Plunderzeug auf. Jetzt fieng ich erst recht an Trübsal zu blasen, und keinem Menschen konnt' ich so recht von Herzensgrund meine Noth klagen. Des Tags gieng ich umher wie der Schatten an der Wand. Des Nachts legt' ich mich ins Fenster, guckte wainend in den Mond hinauf, und erzählte dem mein bitteres Elend: »Du, der jetzt auch überm Tockenburg schwebt, sag' es meinen Leuthen daheim, wie armselig es um mich stehe - meinen Eltern, meinen Geschwisterten - meinem Aennchen sag's, wie ich schmachte - wie treu ich ihr bin - daß sie alle Gott für mich bitten. Aber du schweigst so stille, wandelst so harmlos deinen Weg fort? Ach! könnt' ich ein Vöglein seyn, und dir nach in meine Heimath fliegen! Ich armer, unbesonnener Mensch! Gott erbarm' sich mein! Ich wollte mein Glück bauen, und baute mein Elend! Was nützt mir dieser herrliche Ort, worinn ich verschmachten muß! Ja, wenn ich die Meinigen hier hätte, und so ein schön Häusgen, wie dort grad gegenüber steht - und nicht Soldat seyn müßte, dann wär's hier gut wohnen; dann wollt' ich arbeiten, handeln, wirthschaften, und ewig mein Vaterland meiden! - Doch nein! Denn auch so müßt' ich den Jammer so vieler Elenden täglich vor Augen sehn! Nein, geliebtes, liebes Tockenburg! Du wirst mir immer vorzüglich werth bleiben! - Aber, Ach! Vielleicht seh' ich dich in meinem Leben nicht wieder - verliere so gar den Trost, von Zeit zu Zeit an die Lieben zu schreiben, die in dir wohnen! Denn jedermann erzählt mir von der Unmöglichkeit, wenn's einmal ins Feld gehe, auch nur eine Zeile fortzubringen, worinn ich mein Herz ausschütten könnte. Doch, wer weiß? Noch lebt mein guter Vater im Himmel; dem ist's bekannt, wie ich nicht aus Vorsatz oder Lüderlichkeit dies Sklavenleben gewählt, sondern böse Menschen mich betrogen haben. Ha! Wenn alles fehlen sollte - Doch, nein! desertiren will ich nicht. Lieber sterben, als Spießruthe laufen. Und dann kann sich's ja auch ändern. Sechs Jahre sind noch - wohl auszuhalten. Freylich eine lange, lange Zeit; wenn's zumal wahr seyn sollte, daß auch dann kein Abscheid zu hoffen wäre! - Doch, was? Kein Abscheid? Hab' ich doch eine, und zwar mir aufgedrungene Capitulation? - Ha! Dann müßten sie mich eher tödten! Der König müßte mich hören! Ich wollte seiner Kutsche nachrennen, mich anhängen bis er mir sein Ohr verlieht. Da wollt' ich ihm alles sagen, was der Brief ausweist. Und der gerechte Friedrich wird nicht gegen mich allein ungerecht seyn«, u.s.f. - Das waren damals so meine Selbstgespräche.

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    71. Das Saamenkorn meiner Authorschaft

    Um diese Zeit kam einst ein Mitglied der moralischen Gesellschaft zu L. in mein Haus, da ich eben die Geschichte von Brand und Struensee durchblätterte, und etwas von meinen Schreibereyen auf dem Tisch lag. »Das hätt' ich bey dir nicht gesucht«, sagte er, und fragte: Ob ich denn gern so etwas lese, und oft dergleichen Sächelgen schreibe? »Ja«! sagt' ich: »Das ist neben meinen Geschäften mein einziges Wohlleben«. Von da an wurden wir Freunde, und besuchten einander zum öftersten. Er anerbot mir seine kleine Büchersammlung; ließ sich aber übrigens in ökonomischen Sachen noch lieber von mir helfen, als daß er mir hätte beyspringen können, obschon ich ihm so von Weitem meine Umstände merken ließ. In einem dieser Jahre schrieb die erwähnte Gesellschaft über verschiedene Gegenstände Preißfragen aus, welche jeder Landmann beantworten könnte. Mein Freund munterte mich auch zu einer solchen Arbeit auf; ich hatte grosse Lust dazu, machte ihm aber die Einwendung: Man würde mich armen Tropfen nur auslachen. »Was thut das«? sagte er: »Schreib du nur zu, in aller Einfalt, wie's kommt und dich dünkt«. Nun, da schrieb ich denn eben über den Baumwollengewerb und den Credit, sandte mein Geschmiere zur bestimmten Zeit neben vielen andern ein; und die Herren waren so gut, mir den Preiß von einer Dukate zuzukennen: Ob zum Gespötte? Nein, wahrlich nicht. Oder vielleicht in Betrachtung meiner dürftigen Umstände? Kurz, ich konnt' es nicht begreifen, und noch viel minder, daß man mich itzt gar von ein paar Orten her einlud, ein förmliches Mitglied der Gesellschaft zu werden. »O behüte Gott«! dacht' ich und sagt' ich Anfangs: »Das darf ich mir nur nicht träumen lassen. Ich würde gewiß einen Korb bekommen. Und wenn auch nicht - ich mag so geehrten Herren keine Schande machen. Ueber kurz oder lang würden sie mich gewiß wieder ausmustern«. Endlich aber, nach vielem hin und her wanken, und besonders aufgemuntert durch einen der Vorsteher, Herrn G. bey dem ich sehr wohl gelitten war, wagt' ich's doch, mich zu melden; und kann übrigens versichern, daß mich weniger die Eitelkeit als die Begierde reitzte, an der schönen Lesecommun der Gesellschaft um ein geringes Geldlein Antheil zu nehmen. Indessen gieng' es wie ich vermuthet hatte, und gab's nämlich allerley Schwierigkeiten. Einige Mitglieder widersetzten sich, und bemerkten mit allem Recht: Ich sey von armer Familie - dazu ein ausgerißner Soldat - ein Mann von dem man nicht wisse wie er stehe - von dem wenig ersprießliches zu erwarten sey, u.s.f. Gleichwohl ward ich durch Mehrheit der Stimmen angenommen. Aber erst itzt reute mich mein unbesonnener Schritt, als ich bedachte: Jene Herren sagten ja nichts als die pur lautere Wahrheit, und könnten noch einst wohl damit triumphiren. Inzwischen mußt' ich's itzt gelten lassen, und tröstete mich bisweilen mit dem eben auch nicht ganz uneigennützigen Gedanken: Das eint' und andre Mitglied könnte mir im Verfolg, zu manchen wichtigen Dingen nützlich seyn.

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    72. Und da

    - Hatt' ich ja itzt freylich eine erstaunliche kindische Freud, mit der grossen Anzahl Bücher, deren ich in meinem Leben nie so viele beysammen gesehn, und an welchen allen ich nun Antheil hatte. Hingegen errötete ich noch immerfort bey dem blossen Gedanken, ein eigentliches Mitglied einer gelehrten Gesellschaft zu heissen und zu seyn, und besuchte sie darum selten, und nur wie verstohlen. Aber da half alles nichts; es gieng mir doch wie dem Raben, der mit den Enten fliegen wollte. Meine Nachbarn, und andre alte Freunde und Bekannten, kurz Meinesgleichen, sahen mich, wo ich stuhnd und gieng, überzwerch an. Hier hört' ich ein höhnisches Gezisch'; dort erblickt' ich ein verachtendes Lächeln. Denn es gieng unsrer moralischen Gesellschaft im Tockenburg Anfangs wie allen solchen Instituten in noch rohen Ländern. Man nannte ihre Mitglieder Neuherren, Bücherfresser, Jesuiten, u.d. gl. Du kannst leicht denken, mein Sohn! wie's mir armen einfältigen Tropfen dabey zu Muthe war. Meine Frau vollends speyte Feuer und Flammen über mich aus, wollte sich viele Wochen nicht besänftigen lassen, und gewann nun gar Eckel und Widerwillen gegen jedes Buch, wenn's zumal aus unsrer Bibliothek kam. Einmal hatt' ich den Argwohn, sie selbst habe um diese Zeit meinen Creditoren eingeblasen, daß sie mich nur brav ängstigen sollten. Sie läugnet's zwar noch auf den heutigen Tag, und Gott verzeih' mir's! wenn ich falsch gemuthmaaßt habe; aber damals hätt' ich mir's nicht ausnehmen lassen. Genug, meine Treiber setzten itzt stärker in mich als sonst noch nie. Da hieß es: Hast du Geld, dich in die Büchergesellschaft einzukaufen, so zahl' auch mich. Wollt' ich etwas borgen, so wies man mich an meine Herren Collegen. »O du armer Mann«! dacht' ich, »was du da aber vor einen hundsdummen Streich gemacht, der dir vollends den Rest geben muß. Hätt'st du dich doch mit deinem Morgen- und Abendseegen begnügt, wie so viele andre deiner redlichen Mitlandsleuthe. Jezt hast du deine alten Freund' verloren - von den neuen darfst und magst du keinen um einen Kreuzer ansprechen. Deine Frau hagelt auch auf dich zu. Du Narr! was nützt dir itzt all' dein Lesen und Schreiben? Kaum wirst du noch dir und deinen Kindern den Betelstab daraus kaufen können«, u.s.f. So macht ich mir selber die bittersten Vorwürfe, und rang oft beynahe mit der Verzweiflung. Dann sucht' ich freylich von Zeit zu Zeit aus einem andern Sack auch meine Entschuldigungen hervor; die hiessen: »Ha! das Lesen kostet mich doch nur ein geringes; und das hab' ich an Kleidern und anderm mehr als erspart. Auch bracht' ich nur die müßigen Stunden damit zu, wo andre ebenfalls nicht arbeiten; meist nur bey nächtlicher Weile. Wahr ist's, meine Gedanken beschäftigten sich auch in der übrigen Zeit nur allzuviel mit dem Gelesenen, und waren hingegen zu meinem Hauptberuf selten bey Hause. Doch hab' ich nichts verludert; trank höchstens bisweilen eine Bouteille Wein, meinen Unmuth zu ersäufen - das hätt' ich freylich auch sollen bleiben lassen - Aber, was ist ein Leben ohne Wein, und zumal ein Leben wie meines«? - Denn kam's wieder einmal an's Anklagen: »Aber, wie nachläßig und ungeschickt warst du nicht in allem was Handel und Wandel heißt. Mit deiner unzeitigen Güte nahmst du alles, wie man's dir gab - gabst du jedem, was er dich bat, ohne zu bedenken, daß du nur andrer Leuthe Geld im Seckel hattest, oder daß dich ein redlich scheinendes Gesicht betriegen könnte. Deine Waare vertrautest du dem ersten Beßten, und glaubtest ihm auf sein Wort, wenn er dir vorlog, er könne dir auf sein Gewissen nur so und so viel bezahlen. O könnt'st du nur noch einmal wieder von Vornen anfangen. Aber, vergeblicher Wunsch! - Nun, so willst du doch alles versuchen - willst denen, die dir schuldig sind, eben auch drohen wie man dir droht«, u.s.f. So dacht' ich elender Tropf, und setzte auch wirklich zween meiner Debitoren den Tag an; freylich mehr um sie und andre zu schrecken, als daß es Ernst gegolten hätte. Aber sie verstuhnden's nicht so. Ich gieng also auf die bestimmte Zeit mit den Schätzern zu ihren Häusern; und, Gott weiß! mir war's viel bänger als ihnen. Denn in dem ersten Augenblick, da ich in des einen Wohnung trat, dacht' ich: Wer kann das thun? - Die Frau bat, und wies' mit den Fingern auf das zerfetzte Bett, und die wenigen Scherben in der Küche, die Kinder in ihren Lumpen heulten. O, wenn ich nur wieder weg wäre! dacht' ich, bezahlte Schätzer und Weibel, und strich mich unverrichteter Sachen fort, nachdem man mir in bestimmten Terminen Bezahlung versprochen, die noch auf den heutigen Tag aussteht. Auch erfuhr ich nachwerts, daß diese Leuthe, einige Stunden vorher, eh' ich in ihr Haus kam, die beßten Habseligkeiten geflöchnet, und ihre Kinder expreß so zerlöchert angezogen hätten. »Meinetwegen«, sagt' ich da zu mir selbst: »Das will ich in meinem Leben nicht mehr thun. Meine Gläubiger mögen eines Tages solche Barbaren gegen mir, ich will's darum nicht gegen andre seyn. Nein! es geh' mir wie es geh', diese Schulden müssen zuletzt doch auch zu meinem Vermögen gerechnet werden«. Aber jene fragten eben nichts darnach, und diesen jagte eine solche Denkens- und Verfahrungsart gerade auch keinen Scheuen ein. Die erstern trieben mich immer stärker und unerbittlicher. Dieß, und meine überspannte Einbildung gebahren dann.

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    73. Freylich manche harte Versuchung

    Und von dieser muß ich dir auch noch ein Bischen erzählen, mein Sohn! dir zur Warnung, damit du sehest, welch' ein entsetzlich Ding vor einen ehrliebenden Mann es ist: Sich in Schulden zu vertiefen, die man nicht tilgen kann; sieben ganzer Jahre unter dieser zentnerschweren Last zu seufzen; sich mit tausend vergeblichen Wünschen zu quälen; in süssen Träumen spanische Schlösser zu bauen, und allemal mit Schrecken zu erwachen; eine lange lange Zeit auf Hülfe welche nur seine Fantasie gebrütet, und zuletzt verstohlner Weise gar auf - eigentliche Wunder zu hoffen. Denk' dir da den armen Erdensohn, welcher dergestalt todtmüde von all' dem vergebenen Dichten und Trachten, Sinnen und Sorgen, endlich an allem verzweifeln, und gewiß glauben muß: Gottes Vorsehung selbst habe nun einmal beschlossen, denselben ins Koth zu treten; ihn vor aller Welt zu Spott und Schande zu machen, und die Folgen seiner Unvorsichtigkeit vor den Augen aller seiner Feinde büssen zu lassen. Wenn denn unterweilen gar der Gedanke in ihm aufsteigt: Gott wisse nichts von ihm, u.d. gl. - Da denke, denke mein Sohn! Der Verführer feyert bey solchen Gelegenheiten gewiß nicht; und mir war's oft ich fühlte seine Eingebungen, wenn ich etwa den ganzen Tag umhergelaufen und Menschenhülfe vergeblich gesucht hatte - dann schwermüthig, oder vielmehr halb verrückt, der Thur nach schlich - mit starrem Blick in den Strom hinuntersah, wo er am tiefsten ist - O dann deucht' es mir, der schwarze Engel hauche mich an: »Thor! stürz! dich hinein - du haltst's doch nicht mehr aus. Sieh' wie sanft das Wasser rollte! Ein Augenblick, und dein ganzes Seyn wird eben so sanft dahinwogen. Dann wirst du so ruhig schlafen - o so wohl, so wohl! Da wird für dich kein Leid und kein Geschrey mehr seyn, und dein Geist und dein Herz ewig in süssem Vergessen schlummern«. - »Himmel! Wenn ich dürfte«! dacht' ich dann. »Aber, welch ein Schauer - Gott! welch' ein Grausen durchfährt alle meine Glieder. Sollt' ich dein Wort - sollte meine Ueberzeugung vergessen? - Nein! packe dich, Satan! - Ich will ausharren, ich hab's verdient - hab' alles verdient«. Ein andermal stellte mir der Bösewicht des jungen Werthers Mordgewehr auf einer sehr vortheilhaften Seite vor. »Du hast zehnfach mehr Ursach' als dieser - und er war doch auch kein Narr, und hat sich noch Lob und Ruhm damit erworben, und wiegt sich nun im milden Todesschlummer? - Doch wie? - Pfui eines solchen Ruhms«! Noch ein andermal sollt' ich meinen Bündel aufpacken, und davon laufen. Mit meiner noch übrigen Baarschaft könnt' ich denn in irgend einem entfernten Lande schon wieder etwas neues anfangen; und zu Hause würden Weib und Kinder gewiß auch gutherzige Seelen finden. »Was? Ich, davon laufen? - Mein zwar unsanftes, aber getreues Weib, und meine unschuldigen kleinen Kinder im Stich lassen - meinen Feinden ihre Winkelprophezeyungen zu ihrer größten Freude wahr machen? - Ich, ich sollte das thun? In welcher Ecke der Erde könnt' ich eine Stunde Ruhe geniessen - wo mich verbergen, daß der Wurm in meinem Busen, daß die Rache des Höchsten mich nicht finden könnte«? - »Nein! Nein! nicht so«; hob dann wieder eine andre Stimm' in meinem Innwendigen an; »aber Weib und Kinder mitnehmen, und irgend einen Ort aussuchen, wo der Baumwollengewerb noch nicht florirt, und wo man ihn doch gern einrichten möchte - da könntest du dein Glück bauen; verstehst ja die rohe Frucht sowohl als das Garn - kannst jene selber karten, kämmen, spinnen, und dieses sieden, spuhlen, zetteln - bist sogar im Stand, ein Spinnrad, eine Kunkel zu machen - und also die Leuthe vollends alles zu lehren. Dann kehrst du nach einigen Jahren geehrt und reich zurück in dein Vaterland, zahlst deine Schulden - Kapital und Zinse«! - Aber dann bedacht' ich mich wieder eines Bessern: »Wie, was? O du Lügengeist! Schon vor dreyßig Jahren hast du mir, so wie heute, von lauter guten Tagen vorgeschwatzt, mir einen güldnen Berg nach dem andern gezeigt - und mich immer betrogen, immer in tiefere Labyrinthe verwickelt - mich zum Narren gemacht - und itzt möchtest du mich gar zum Schelmen machen? Wie? Ich sollte auch noch meinem Geburtsland schaden, seinen Brodkorb verschleicken? Nein, nein! in deinem Schooß will ich leben und sterben, da alles erwarten, thun was ich kann, und für das übrige weiter den Himmel walten lassen. Stell' ich mir nicht meine Sachen vielleicht gar zu schrecklich vor? Gott! wenn mich meine Sünden so quälten wie meine Schulden! Aber, ich weiß daß du nicht so streng' bist wie die Menschen. Doch, laß sie machen, ich hab's verdient. Nur bitt' ich, ewige Güte! von jenem argen Feind laß mich nicht länger quälen, nicht über mein Vermögen versucht werden«! So bekam ich von Zeit zu Zeit wieder guten und festen Muth. Aber das währte dann nicht länger, bis sich ein neuer Fall ereignete, wo ich mich abermals des Gedankens nicht erwehren konnte: Itzt ist's aus! Da ist kein Kraut mehr für ein unheilbares Uebel gewachsen. Aber auch dann bestuhnd's mehr in der Einbildung als in der Wirklichkeit.     Eines Tags da ich eben auch etliche Gulden zu borgen vergebens herumgelaufen, einer meiner Gläubiger mich mit entsetzlicher Rohheit anfuhr, und mir sonst alles fatal und überzwerch gieng - und ich dann ganz melancholisch nach Haus kam - meiner Frau nach Gewohnheit nichts sagen noch klagen durfte, wenn ich nicht hundert bittere Vorwürf' in mich schlüken wollte - gedacht' ich, wie sonst schon oft, meine Zuflucht zum Schreiben zu nehmen - konnt' aber nichts hervorbringen, als verworrene Klaglieder, welche beynahe an Lästerungen gränzten. Dann wollt' ich mich mit Lesen eines guten Buchs beruhigen, und auch das gelang mir nicht. Ich gieng also zu Bette, wälzte mich bis um Mitternacht auf meinem Küssen herum, und ließ meine Gedanken weit und breit durch die ganze Welt gehn. Bald kam mir da auch der Sinn an meinen lieben seligen Vater: »Auch dein Leben, du guter Mann«, dacht' ich, »gieng, so wie das meine, unter lauter Kummer und Sorgen hin, die ich, Ach! dir nicht wenig vergrösserte, da ich so wenig Antheil an deiner Last genommen. - Vielleicht ruht gar dein geheimer Fluch auf mir? - O entsetzlich! - Nun, wie es immer sey, einmal muß ein Entschluß genommen seyn: Entweder meinem elenden Leben - Nein! Gott! Nein Das steht in deiner Hand. - - Oder mich meinen Gläubigern auf Gnad' und Ungnad' hin zu Füssen zu werfen. Aber Nein! o wie hart! Das kann ich unmöglich. - Oder ja mich entfernen, davonlaufen so weit der Himmel blau ist. Ach! meine Kinder! Da würd' mir das Herz brechen«. - Während diesen Fantasien fiel mir der menschenfreundliche Lavater ein; augenblicklich entschloß ich mich an ihn zu schreiben, stuhnd sofort auf, und entwarf folgenden Brief, den ich zum Denkmal meiner damaligen Lage hier beyrücke.

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    74. Wohlehrwürdiger, Hoch- und Wohlgelehrter Herr Pfarrer Johann Caspar Lavater!

    Mitten in einer entsetzlich bangen Nacht unterwind' ich mich, an Sie zu schreiben. Keine Seel' in der Welt weißt es, und keine Seel' weißt meine Noth. Ich kenne Sie aus Ihren Schriften und vom Gerüchte. Wüßt' ich nun freylich nicht von diesem, daß Sie einer der beßten, edelsten Menschen wären, dürft' ich von Ihnen wohl keine andre Antwort erwarten, als wie etwa von einem Grossen der Erde. Z.E. Pack dich, Schurke! Was gehn mich deine Lumpereyen an. - Aber nein! ich kenne Sie als einen Mann voll Großmuth und Menschenliebe, welchen die Vorsehung zum Lehrer und Arzt der itzigen Menschheit ordentlich scheint bestimmt zu haben. Allein Sie kennen mich nicht. Geschwind will ich also sagen, wer ich bin. O werfen Sie doch den Brief eines elenden Tockenburgers nicht ungesehn auf die Seite, eines armen gequälten Mannes, der sich mit zitternder Hand an Sie wendet, und es wagt, sein Herz gegen einen Herrn auszuschütten, gegen den er ein so inniges Zutrauen fühlt. O hören Sie mich, daß Gott Sie auch höre! Er weiß, daß ich nicht im Sinn habe, ihnen weiter beschwerlich zu fallen, als nur Sie zu bitten, diese Zeilen zu lesen, und mir dann ihren väterlichen Rath zu ertheilen. Also. Ich bin der älteste Sohn eines blutarmen Vaters von 11. Kindern, der in einem wilden Schneeberg unsers Lands erzogen ward, und bis in sein sechszehntes Jahr fast ohne allen Unterricht blieb, da ich zum H. Nachtmahl unterwiesen wurde, auch von selbst ein wenig schreiben lernte, weil ich grosse Lust dazu hatte. Mein sel. Vater mußte unter seiner Schuldenlast erliegen, Haus und Heimath verlassen, und mit seiner zahlreichen Familie unterzukommen suchen, wo er konnte und mochte, und Arbeit und ein kümmerliches Brodt für uns zu finden war. Die Hälfte von uns war damals noch unerzogen. Bis in mein neunzehntes Jahr blieb mir die Welt ganz unbekannt, als ein schlauer Betrüger mich auf Schaffhausen führte, um, wie er sagte, mir einen Herrendienst zu verschaffen. Mein Vater war's zufrieden - und ich wurde, ohne mein Wissen, an einen preußischen Werber verkauft, der mich freylich so lange als seinen Bedienten hielt, bis ich nach Berlin kam, wo man mich unter die Soldaten steckte - und noch itzt nicht begreifen wollte, wie man mich so habe betriegen können. Es gieng eben ins Feld. O wie mußt' ich da meine vorigen in Leichtsinn vollbrachten guten Tage so theuer büssen! Doch ich flehte zu Gott, und er half mir ins Vaterland. In der ersten Schlacht bey Lowositz nämlich, kam ich wieder auf freyen Fuß, und kehrte sofort nach Hause. In dem Städtgen Rheineck küßt' ich zum erstenmal wieder die Schweitzer-Erde, und schätzte mich für den glücklichsten Mann, ob ich schon nichts als ein Paar Brandenburgische Dreyer, und einen armseligen Soldatenrock auf dem Leib in meine Heimath brachte. Nun mußt' ich wieder als Taglöhner mein Brot suchen; das kam mich freylich sauer genug an. In meinem sechs und zwanzigsten heurathete ich ein Mädchen mit hundert Thalern. Damit glaubt' ich schon ein reicher Mann zu seyn, dachte itzt an leichtere Arbeit mit aufrechtem Rücken, und fieng, auf Anrathen meiner Braut, einen Baumwollen und Garngewerb an, ohne daß ich das geringste von diesem Handwerk verstuhnd. Anfangs fand ich Credit, baute ein eigenes Häuschen, und vertiefte mich unvermerkt in Schulden. Indessen verschaffte mir doch mein kleines Händelchen einen etwelchen Unterhalt; aber bösartige Leuthe betrogen mich immer um Waare und Geld, und die Haushaltung mehrte sich von Jahr zu Jahre, so daß Einnahm' und Ausgabe sich immer wettauf frassen. Dann dacht' ich: Wenn einst meine Jungen grösser sind, wird's schon besser kommen! Aber ich betrog mich in dieser Hoffnung. Mittlerweile überfielen mich die hungrigen Siebenziger-Jahre, als ich ohnedem schon in Schulden steckte. Ich hatte itzt fünf Kinder, und wehrte mich wie die Katz' am Strick. Das Herz brach mir, wenn ich so meine Jungen nach Brodt schreyen hörte. Dann noch meine arme Mutter und Geschwister! Von meinen Debitoren nahm hie und da einer den Reißaus, andre starben, und liessen mich die Glocken zahlen; Ich hingegen wurde von etlichen meiner Gläubiger scharf gespornt; mit meinem Handel gieng's täglich schlechter. Itzt wurden wir noch alle gar an der Ruhr krank; meine zwey Aeltst gebohrnen starben, wir übrigen erholten uns wieder. Inzwischen harrt' ich auf Gott und günstigere Zeiten. Aber umsonst! Und war ich nicht ein Thor, und bin ich's nicht itzt noch, wenn ich auch nur ein wenig zurückdenke, auf mein sorgloses in den Tag hinein leben? Bin ich denn nicht selbst schuld an allem meinem Elend? Meine Unbesonnenheit, meine Leichtgläubigkeit, mein unwiderstehlicher Hang zum Lesen und Schreiben, haben nicht die mich dahin gebracht? Wenn mein Weib, wenn ich selbst, mir solche nur zu wohl verdiente Vorwürfe machen, dann kämpf ich oft mit der Verzweiflung; wälze mich halbe Nächte im Bett herum, rufe den Tod herbey, und bald jede Art mein Leben zu endigen scheint mir erträglicher, als die äusserste Noth der ich alle Tage entgegensehe. Voll Schwermuth schleich' ich dann langsam unsrer Thur nach, und blicke vom Felsen herab scharf in die Tiefe. Gott! wenn nur meine Seele in diesen Fluthen auch untergehen könnte! Das eintemal lispelte mir der Teufel des Neides - freylich eine grosse Wahrheit ein: Wie viele Schätze werden nicht auf dieser Erde verschwendet! Wie manches Tausend auf Karten und Würfel gesetzt, wo dir ein einziges aus dem Labyrinth helfen könnte! Ein andermal heißt mich dieser böse Feind gar, zusammenpacken, und alles im Stich lassen. Aber nein! da bewahre mich Gott dafür! Ja, im blossen Hemd wollt' ich auf und davon, mich an die Algier zu verkaufen, wenn dann nur meine Ehre gerettet, und Weib und Kindern damit geholfen wäre. Noch ein andermal raunt mir, wie ich wenigstens wähne, ein beßrer Geist ins Ohr: Armer Narr! der Himmel wird deinetwegen kein Wunder thun! Gott hat die Erde gemacht, und so viel Gutes darauf ausgeschüttet. Und das Beßte davon, goß er's nicht ins weiche Herz des Menschen?     Also hinaus in die Welt, und spüre diesen edlen Seelen nach; Sie werden Dich nicht aufsuchen. Gesteh' ihnen deine Noth und deine Thorheit, schäm' dich deines Elends nicht, und schütte deinen Kummer in ihren Schooß aus. Schon manchem weit Unglücklichern ist geholfen worden. Aber o wie blöd' bin ich, und wie zweifelhaft, ob auch dieses gute oder schlimme Eingebungen seyn! - Beßter Menschenfreund! O um Gotteswillen rathen Sie mir; sagen Sie es mir, ob das ebenbemerkte Mittel nicht noch das thunlichste wäre, mich von einem gänzlichen Verderben zu retten. - Ach! wär' es nur um mich allein zu thun! - Aber meine Frau, meine armen unschuldigen Kinder, sollten auch diese die Schuld und Schand' ihres Mannes und Vaters tragen; und die hiesige Moralische Gesellschaft, in die ich mich erst neuerlich, freylich eben auch unüberlegt genug, habe aufnehmen lassen, sollte auch diese frühe, und zum erstenmal, durch eins ihrer Mitglieder, gegen welches man ohnehin so manche begründete Einwendungen machte, so schrecklich beschimpft werden? O noch einmal, um aller Erbärmden Gottes willen, Herr Lavater! Nur um einen väterlichen Rath! verziehen Sie mir diese Kühnheit. Noth macht frech. Und in meiner Heimath dürft' ich um aller Welt Gut willen mich keiner Seele entdecken. Freunde die mich zu retten wißten, hab' ich keine; wohl ein Paar die noch eher von mir Hülf' erwarten könnten; dem Spott aber von Halbfreunden oder Unbekannten mich auszusetzen - Nein! da will ich tausendmal lieber das Alleräusserste erwarten. - Und nun mit sehnlicher Ungeduld und kindlichem Zutrauen, erwartet, auch zuletzt nur eine Zeile Antwort von dem Mann, auf den noch einzig meine Seele hoffet, Der in den letzten Zügen des Elends liegende, arme, geplagte Tockenburger H**, bey L***,U.B. den 12. Herbstm. 1777.

    Torna su

    77. Und nun, was weiters?

    Das weiß ich wahrlich selber nicht. Je mehr ich das Gickel Gackel meiner bisher erzählten Geschichte überlese und überdenke, desto mehr eckelt mir's davor. Ich war daher schon entschlossen, sie wieder von neuem anzufangen; ganz anders einzukleiden; vieles wegzulassen das mir itzt recht pudelnärrisch vorkömmt; anderes wichtigeres hingegen, worüber ich weggestolpert, oder das mir bey dem ersten Concepte nicht zu Sinn gekommen, einzuschalten, u.s.f. Da sich aber, wie schon oben gesagt, mein Schreibehang, gut um drey Quart vermindert – da ich hiernächst die Zeit dazu extra auskaufen müßte, und besonders – am End es nicht viel besser machen würde, will ich's lieber grad bleiben lassen wie es ist – als ein zwar unschädliches, aber, ich denke, auch unnützes Ding, wenigstens für andre. Damit ich aber mein bisheriges Wirrwar einigermaassen verbeßre, will ich wenigstens das eint- und andre nachholen; mich noch, ehe es fremde Richter thun, selbst critisiren, und dann mit Beschreibung meiner gegenwärtigen Lage beschliessen.

    Torna su

    78. Also?

    Was anders, als ich, nicht Ich? Denn ich hab' erst seit einiger Zeit wahrgenommen, daß man sich selbst – mit einem kleinen i schreibt. Doch, was ist das gegen andre Fehler? Freylich muß ich zu meiner etwelchen Entschuldigung sagen, daß ich mein Bißchen Schreiben ganz aus mir selbst, ohne andern Unterricht gelernt, dafür aber auch erst in meinem dreyßigsten Jahr etwas Leserliches, doch nie nichts recht orthographisches, auch unlinirt bis auf den heutigen Tag nie eine ganz gerade Zeile herausbringen konnte. Hingegen hatte für mich die sogenannte Frakturschrift, und zierlich geschweifte Buchstaben aller Art sehr viele Reitze, obschon ich's auch hierinn nie weit gebracht. Nun denn, so geh' es auch hierinn eben weiter im Alten fort.     Als ich dieß Büchel zu schrieben anfieng, dacht' ich Wunder, welch eine herrliche Geschicht' voll der seltsamsten Abentheuer es absetzen würde. Ich Thor! Und doch – bey besserem Nachdenken – was soll ich mich selbst tadeln? Wäre das nicht Narrheit auf Narrheit gehäuft? Mir ist's als wenn mir jemand die Hand zurückzöge. Das Selbsttadeln muß also etwas unnatürliches, das Entschuldigen und sich selbst alles zum Beßten deuten etwas ganz natürliches seyn. Ich will mich also herzlich gern' entschuldigen, daß ich Anfangs so verliebt in meine Geschichte war, wie es jeder Fürst und – jeder Betelmann in die seinige ist. Oder, wer hörte nicht schon manches alte, eisgraue Bäurlein von seinen Schicksalen, Jugendstreichen u.s.f. ganze Stunden lang mit selbstzufriedenem Lächeln so geläufig und beredt daherschwatzen, wie ein Procurator, und wenn er sonst der größte Stockfisch war. Freylich kömmt's denn meist ein Bißel langweilig für andre heraus. Aber was jeder thut, muß auch jeder leiden. Freylich hätt' ich, wie gesagt, mein Geschreibe ganz anders gewünscht; und kaum war ich damit zur Hälfte fertig, sah' ich das kuderwelsche Ding schon schief an; alles schien mir unschicklich, am unrechten Orte zu stehn, ohne daß ich mir denn doch getraut hätte, zu bestimmen, wie es eigentlich seyn sollte; sonst hätt' ich's flugs auf diesen Fuß, z.B. nach dem Modell eines Heinrich Stillings umgegossen. »Aber, Himmel! welch ein Contrast! Stilling und: ich«! dacht' ich. »Nein, daran ist nicht zu gedenken. Ich dürfte nicht in Stillings Schatten stehn«. Freylich hätt' ich mich oft gerne so gut und fromm schildern mögen, wie dieser edle Mann es war. Aber konnt' ich es, ohne zu lügen? Und das wollt' ich nicht, und hätte mir auch wenig geholfen. Nein! Das kann ich vor Gott bezeugen, daß ich die pur lautere Wahrheit schrieb, entweder Sachen die ich selbst gesehen und erfahren, oder von andern glaubwürdigen Menschen als Wahrheit erzählen gehört. Freylich Geständnisse, wie Roußeau's seine, enthält meine Geschichte auch nicht, und sollte auch keine solchen enthalten. Mag es seyn, daß einige mich so für besser halten, als ich nach meinem eigenen Bewußtseyn nicht bin. Aber aller meiner Beichte ungeachtet, hätten denn doch hinwieder andre mich noch für schlimmer geachtet, als ich, unter dem Beystand des Höchsten mein Lebtag nicht seyn werde. Und mein einzig unpartheyischer Richter kennt mich ja durch und durch, ohne meine Beschreibung.

    Torna su

    79. Meine Geständnisse

    Um indessen doch einigermaaßen ein solches Geständniß abzulegen, und Euch, meine Nachkommen, einen Blick wenigstens auf die Oberfläche meines Herzens zu öffnen, so will ich Euch sagen: Daß ich ein Mensch bin, der alle seine Tage mit heftigen Leidenschaften zu kämpfen hatte. In meinen Jugendjahren erwachten nur allzufrühe gewisse Naturtriebe in mir; etliche Geißbuben, und ein Paar alte Narren von Nachbarn sagten mir Dinge vor, die einen unauslöschlichen Eindruck auf mein Gemüth machten, und es mit tausend romantischen Bildern und Fantaseyen erfüllten, denen ich, trotz alles Kämpfens und Widerstrebens, oft bis zum unsinnig werden nachhängen mußte, und dabey wahre Höllenangst ausstuhnd. Denn um die nämliche Zeit hatte ich von meinem Vater, und aus ein Paar seiner Lieblingsbücher, allerley, nach meinen itzigen Begriffen übertriebene, Vorstellungen von dem, was eigentlich fromm und reinen Herzens sey, eingesogen. Da wurde mir nur das allerstrengste Gesetz eingepredigt; da schwebten mir immer unübersteigliche Berge, und die schwersten Stellen aus dem Neuen Testament von Händ' und Füß' abhauen, Augausreißen u.s.f. vor. Mein Herz war von jeher äusserst empfindlich, ich erstaunte daher sehr oft, wenn ich weit bessere Menschen als ich, bey diesem oder jenem Zufall, bey Erzählung irgend eines Unglücks, bey Anhörung einer rührenden Predigt, u.d. gl. wie ich wähnte ganz frostig bleiben sah. Man denke sich also meine damalige Lage in einem rohen einsamen Schneegebürg': Ohne Gesellschaft, ausser jenen schmutzigen Buben und unfläthigen Alten auf der einen – auf der andern Seite jenen schwärmerischen Unterricht, den mein junger feuerfangender Busen so begierig aufnahm; dann mein von Natur tobendes Temperament, und eine Einbildungskraft, welche mir nicht nur den ganzen Tag über keine Minute Ruhe ließ, sondern mich auch des Nachts verfolgte, und mir oft Träume bildete, daß mir noch beym Erwachen der Schweiß über alle Finger lief. Damals war (wie man schon zum Theil aus meiner obigen Geschichte wird ersehen haben) meine größte Lust, an einem schönen Morgen oder stillen Abend, währendem Hüten meiner Geißen, mich auf irgend einem hohen Berge in einen Dornbusch zu setzen – dann jenes Büchelgen hervorzulangen das ich viele Zeit überall und immer bey mir trug, und daraus mich über meine Pflichten gegen Gott, gegen meine Eltern, gegen alle Menschen und gegen mich selbst, so lang zu erbauen, bis ich in eine Art wilder Empfindung gerieth, und (ich entsinne mich noch vollkommen) allemal mit einer Ermahnung an Kinder geendet, deren Anfang lautete: »Kommt Kinder! Wir wollen uns vor dem Thron des himmlischen Vater niederwerfen«. Dann richtete ich meine Augen starr in die Höhe, und häufige Thränen flossen die Wangen herab. Dann hätt' ich mich auf ewig und durch tausend Eyde verbunden, Allem Allem abzusagen, und nur Jesu nachzufolgen. Voll unnennbarer, halb süsser, halb bittrer Empfindungen stieg ich dann mit meiner Heerde weiter von einem Hügel zum andern auf und nieder, und hieng immer dem beängstigenden Gedanken nach: Was ich denn nun allererst thun müsse, um selig zu werden? »Darf ich also«, hob ich dann halb laut halb leise an, »meine Geißen nicht mehr lieben? Muß ich meinem Distelfink Abschied geben? – Muß ich wirklich gar Vater und Mutter verlassen«? u.s.f. Dann fiel ich vollends in eine düstre Schwermuth, in Zweifel, in Höllenangst; wußte nicht mehr was ich treiben, was ich lassen, woran ich mich halten sollte. Das dauerte dann so etliche Tage lang. Dann hieng ich wieder für etwas Zeit Grillen von ganz andrer Natur – und auch diesen bis zur Wuth nach, baute mir ein, zwey, drey Dutzend spanischer Schlösser auf, riß alle Abend die alten nieder, und schuf ein Paar neue. – So dauerte es bis ungefehr in mein achtzehntes Jahr, da mein Vater seinen Wohnort veränderte, und ich so zu sagen in eine ganz neue Welt trat, wo ich mehr Gesellschaft, Zeitvertreib, und minder Anlaß zum Phantasiren hatte.     Hier fiengen sich dann auch, besonders Eine Art der Kinderei meiner Einbildungskraft – und zwar leider eben die schönste von allen – an, sich in Wirklichkeit umzuschaffen, und kamen mir eben nahe an Leib. Aber zu meinem Glücke hielt mich meine anerbohrene Schüchternheit, Schaamhaftigkeit – oder wie man das Ding nennen will – noch Jahre lang zurück, eh' ich nur ein einziges dieser Geschöpfe mit einem Finger berührte. Da fieng sich endlich jene Liebesgeschichte mit Aenchen an, die ich oben, wie ich denke, nur mit allzusüsser Rückerinnerung, beschrieben habe – und doch noch einmal beschreiben, jene Honigstunden mir noch einmal zurückrufen möchte – um mehr zu geniessen als ich wirklich genossen habe. Allein ich fürchte – nicht Sünde, aber Aergerniß; und eine geheime Stimme ruft mir zu: »Grauer Geck! Bestelle dein Haus; denn du mußt sterben«. – Noch lebt diese Person, so gesund und munter wie ich; und mir steigt eine kleine Freude ins Herz so oft ich sie sehe, obgleich ich mit Wahrheit bezeugen kann, daß sie alle eigentliche Reitze für mich verloren hat. Also kurz und gut, wir gehen weiters. Nun von jenem Zeitpunkt an war ich unstät und flüchtig, wie Cain. Bald bestuhnd meine Arbeit im Taglöhnen; bald zügelte ich für meinen Vater das Salpetergeschirr von einem Fleck zum andern. Da traf ich freylich allerhand Leuthe, immer neue Gesellschaft, und mir bisdahin unbekannte Gegenden an; und diese und jene waren mir bald widrig, bald angenehm. Im Umgang war ich eckel. Zwar bemühete ich mich, freundlich mit allen Menschen zu thun. Aber zu beständigen Gespannen stuhnden mir die wenigsten an; sie mußten von einer ganz eigenen Art seyn, die ich, wenn ich ein Mahler wäre, eher zeichnen, als mit Worten beschreiben könnte. Hie und da gerieth ich auch an ein Mädchen; aber da stuhnd mir keine an wie mein Aenchen. Nur eines gewissen Cäthchens und Marichens erinnr' ich mich noch mit Vergnügen, obschon unsre Bekanntschaft nur eine kleine Zeit währte. Wenn ein Weibsbild, sonst noch so hübsch, da stuhnd oder saß wie ein Stück Fleisch – mir auf halbem Weg entgegen kam, oder mich gar noch an Frechheit übertreffen wollte, so hatte sie's schon bey mir verdorben; und wenn ich dann auch etwa in der Vertraulichkeit mit ihr ein Bißchen zu weit gieng, war's gewiß das erste und letzte Mal. Nie hab' ich mir auf meine Bildung und Gesicht viel zu gut gethan, obschon ich bey den artigen Närrchen sehr wohl gelitten war, und einiche aus ihnen gar die Schwachheit hatten mir zu sagen, ich sey einer der hübschesten Buben. Wenn gleich meine Kleidung nur aus drey Stücken bestuhnd – einer Lederkappe, einem schmutzigen Hembd, und ein Paar Zwilchhosen – so schämte sich doch auch das niedlichst geputzte Mädchen nicht, ganze Stunden mit mir zu schäckern. In Geheim war ich denn freylich stolz auf solche Eroberungen, ohne recht zu wissen warum? Andremal nagte mir, wie gesagt, wirklich die Liebe ein Weilchen am Herzen: Dann sucht' ich mich des lästigen Gastes durch Zerstreuungen zu entledigen; jauchzte, pfiff, und trillerte einen Gassenhauer, deren ich in kurzer Zeit viele von meinen Kameraden gelernt hatte; oder brütete an abgelegenen Orten wieder etliche Fantaseyen aus, und träumte von lauter Glück und guten Tagen, ohne daß ich mir einfallen ließ, mich auch zu fragen: Wenn und woher sie auch kommen sollten? das ich mir auch sicher nicht hätte beantworten können. Denn die Wahrheit zu gestehn, ich war ein Erzlappe und Stockfisch, und besaß zumal keine Unze Klugheit, oder gründliches Wissen, wenn ich schon über alles ganz artlich zu reden wußte. Daß ich bey jedermann, und bey jenen schönen Dingern insonderheit wohl gelitten war, kam einzig daher, weil ich so ziemlich gut an jedem Ort augenblicklich den für dasselbe schicklichsten Ton zu treffen wußte, und mir, wie meine Nymphen behaupteten, alles ziemlich nett anstuhnd. – Und nun abermals ein neuer Akt meines Lebens. Als mich nämlich bald hernach das Verhängniß in Kriegsdienste führte, und vorzüglich in den sechs Monathen, da ich noch auf der Werbung herumstreifte, ja da geht's über alle Beschreibung, wie ich mich nun fast gänzlich im Getümmel der Welt verlor. Zwar unterließ ich auch während meinen wildesten Schwärmereyen nie, Gott täglich mein Morgen- und Abendopfer zu bringen, und meinen Geschwisterten gute Lehren nach Haus zu schreiben. Aber damit war's dann auch gethan; und ob der Himmel daran grosse Freude hatte, muß ich zweifeln? Doch, wer weißt's? Selbst die flüchtige Andacht unterhielt vielleicht manche gute Gesinnung in mir, die sonst auch noch zu Trümmern gegangen wäre, und behütete mich vor groben Ausschweifungen, deren ich mir, Gott Lob! keiner einzigen bewußt bin. So z.B. wenn ich schon mit hübschen Mädchens für mein Leben gern umgehen mochte, hätt' ich's doch auf allen meinen Reisen und Kriegszügen nie über's Herz gebracht, nur ein eineinziges zu übertölpeln, wenn ich auch dazu noch so viel Reitzung gehabt. Wahrlich, mein Gewissen war so zart über diesen Punkt, daß ich mir vielmehr oft nachwerts ruchlose Vorwürfe über meine eigne Feigheit gemacht; mir den und diesen guten Anlaß wieder zurückgewünscht, u.s.f. Aber wenn sich denn wirklich die Gelegenheit von neuem eräugnete, und alles bis zum Genusse fix und fertig war, so fuhr ein zitternder Schauer mir durch Mark und Beine, daß ich zurückbebte, meinen Gegenstand mit guten Worten abfertigte, oder leise davon schliech. Auf dem ganzen Transport bis nach Berlin bin ich, bis auf ein einziges Nestchen, vollends ganz rein davon gekommen. In dieser großen Stadt hätt' ich an gemeinen Weibsleuthen keinen Schuh' gewischt. Hingegen will ich's nicht verbergen, daß meine zügellose Einbildungskraft ein Paarmal über glänzende Damen und Mamselles brütete. Aber es stellten sich immer noch zu rechter Zeit genugsame Hindernisse in den Weg; die Anfechtungen verschwanden, und besserer Sinn und Denken erwachten wieder. Während meiner Campagne und auf der Heimreise hab' ich abermals keinen weiblichen Finger berührt. Was meine Desertion betrift, so machte mir mein Gewissen darüber nie die mindesten Vorwürfe. Gezwungner Eyd, ist Gott leid! dacht' ich; und die Ceremonie, die ich da mitmachte, wähnt' ich wenigstens, könne kaum ein Schwören heissen. – Nach meiner Rückkehr ins Vaterland ergriff ich wieder meine vorige Lebensart. Auch Buhlschaften spannen sich bald von neuem an. Meine herzliebe Anne war freylich verplempert; aber es fanden sich in kurzem andere Mädels mehr als eines, denen ich zu behagen schien. Mein Aeusseres hatte sich ziemlich verschönert. Ich gieng nicht mehr so läppisch daher, sondern hübsch gerade. Die Uniform die mein ganzes Vermögen war, und eine schöne Frisur, die ich recht gut zu machen wußte, gaben meiner Bildung ein Ansehn, daß dürftige Dirnen wenigstens die Augen aufsperrten. Bemittelte Jungfern dann – Ja, o bewahre! – die warfen freylich auf einen armen ausgerißnen Soldat keinen Blick. Die Mütter würden ihnen fein ausgemistet haben. Und doch wenn ich's nur ein wenig pfiffiger und politischer angefangen, hätt' es mir mit einer ziemlich reichen Rosina geglückt, wie ich nachwerts zu späth erfuhr. Inzwischen erhob selbst dieser mißlungene Versuch meinen Muth und meine Einbildung nicht um ein geringes – und der geschossene Bock wäre mir nicht um tausend Gulden feil gewesen. Ich sah darum von erwähnter Zeit an alle meine bisherigen Liebschaften so ziemlich über die Achsel an, und warf den Bengel höher auf. Aber meine sorglose lüderliche Lebensart verderbte immer alles wieder. Mit Kindern meines Standes war mein Umgang freylich, Gott verzeih' mir's! oft nur allzufrey; in Absicht auf solche hingegen, die über mir stuhnden, verließ mich meine Feigheit nie; und das war mir am meisten hinderlich. Denn wer weiß nicht, wie oft der dümmste Labetsch, bloß mit einem beherzten angriffigen Wesen zuerst sein Glück macht. Aber mir so viele Mühe geben – kriechen, bitten, seufzen und verzweifeln – konnt' ich eben nicht. Eines Tags gieng ich nach Herisau an eine Landsgemeinde. Mutter steckte mir all' ihr kleines Spaargeldlin von etwa 6. fl. bey. Einer meiner Bekannten im Appenzeller-Land trachtete mir zu Trogen, in einer grossen Gesellschaft, eine gewisse Ursel aufzusalzen, die mir aber durchaus nicht behagen wollte. Ich suchte also ihr je eher je lieber wieder los zu werden. Es glückte mir auf dem Rückweg nach Herisau, wo sie sich – oder vielmehr ich mich unter dem grossen Haufen verlor. Es war eine grosse Menge jungen Volkes. Bey einbrechender Abenddämmerung näherte man sich einander, und formirte Paar und Paar – als ich mit eins ein wunderschönes Mädel, sauber wie Milch und Blut, erblickte, das mit zwey andern solchen Dingen davon schlenterte. Ich streckt' ihm die Hand entgegen, es ergriff sie mit den beyden seinigen, und wir marschirten bald Arm an Arm in dulci Jubilo unter Singen und Schäckern unsre Strasse. Als wir zu Herisau ankamen, wollt' ich sie nach Haus begleiten. »Das bey Leib nicht«! sagte sie; »Ich dörft's um alles in der Welt nicht. Nach dem Nachtessen vielleicht, kann ich denn eher noch ein Weilchen zum Schwanen kommen«. Mit einem solchen Ersatz war ich natürlich sehr zufrieden. Damals wußt' ich noch nicht, wer mein Schätzgen war, und erfuhr erst itzt im Wirtshaus: Daß sie ein Töchtergen aus einem guten Kaufmannshaus, und ungefehr sechszehn Jahr alt sey. Ungefehr nach einer Stunde kam das liebe Geschöpf – Cäthchen hieß es – mit einem artigen jungen Kind auf dem Arm, das sein Schwesterchen war – denn anders hätt' es nicht entrinnen können – als eben auch die verwünschte Ursel in die Stube trat, mich gleichfalls aufsuchen wollte – bald aber Unrath merkte, mir bittere Vorwürfe machte – und davon gieng. Alsdann gab uns der Wirth ein eigen Zimmer – Cäthchen hinein, und ich nachgeschwind wie der Wind. Ich hatte ein artiges Essen bestellt. Nun waren ich und das herrliche Mädchen allein, allein. O was dieses einzige Wort in sich faßt! Tage hätt' es währen sollen, und nicht zwey oder drey wie Augenblicke verflossene Stunden. Und doch – die Wände unsers Stübchens – das Kind auf Cäthchens Schooß – die Sternen am Himmel sollen Zeugen seyn unsrer süssen, zärtlichen, aber schuldlosen Vertraulichkeit. Ich blieb noch die halbe Woche dort. Mein Engel kam alle Tage mit ihrem Schwesterchen vier bis fünfmal zu mir. Endlich aber gieng mir die Baarschaft aus – ich mußte mich losreissen. Cäthchen gab mir, immer mit dem Kind auf dem Arm, trotz aller Furcht vor seinen Eltern, das Geleit noch weit vor den Flecken hinaus. Wie der Abschied war, läßt sich denken. Thränen von Liebchen trug ich auf meinen Wangen genug nach Haus. Wir winkten einander mit Schürze und Schnupftüchern unser Lebewohl mehr als hundertmal, und so weit wir uns sehen konnten. O man verzeihe mir meine Thorheit! Gehören doch diese Tage zu den allerglücklichsten, und ihre Freuden zu den allerunschuldigsten meines Lebens. Denn mein guter Engel hatte mir gegen dieß holde Mädchen ordentlich eben so viel Ehrfurcht als Liebe eingeflößt, so daß ich sie, wie ein Vater sein Kind, umarmte, und sie mich hinwieder, wie eine Tochter ihren Erzeuger, sanft an ihren reinen Busen drückte, und mein Gesicht mit ihren Küssen deckte. – Itzt war ich dem Leibe nach wieder bey Haus, aber im Geiste immer mit diesem herzigen Schätzgen beschäftigt, dem weiland Aennchen sogar weit nachstuhnd. Indessen kam mir nur kein Gedanke daran, daß ich jemals zu ihrem Besitz gelangen könnte; vielmehr sucht' ich mir alles Vorgegangene vollkommen aus dem Sinn zu schlagen, und es gelang mir. Denn dieß war von jeher meine Art: Was einen schnellen Eindruck auf mich machte, war auch bald wieder vergessen, und von neuen Gegenständen verdrängt. Allein, wer hätte daran gedacht? An einem schönen Abend brachte mir der Herisauer-Bot ein Briefchen von meinem Cäthchen, worinn sie in zärtlich verliebten und dabey recht kindisch naiven Ausdrücken mir sagte: Wie's ihr sey seit unserm Abschied; wie sie mich gern wieder sehen – noch einmal mit mir reden möchte – und, wenn das nicht möglich wäre, mich wenigstens zu einem schriftlichen Verkehr auffodere. Ich küßte das Papier, las es wohl hundertmal, und trug's immer in der Tasche, bis es ganz verschmutzt und zerfetzt war. Also – ich flog eilends nach Herisau – Nein! Ich antwortete auf der Stelle. – Nein! auch das nicht, kein Wort. Kurz ich gieng nicht, und schrieb nicht. Warum? Daß ich gerade damals kein Geld hatte, dessen erinnere ich mich; daß sonst noch etwas dazwischen kam, weiß ich auch; die eigentliche Ursach' aber ist mir aus dem Gedächtniß entfallen. Genug, ich vergaß meinen Herisauer- Schatz, worüber ich mir nachwerts manchen bittern Vorwurf gemacht. Endlich, erst nach zwanzig Jahren, dacht' ich wieder einmal dieser Begebenheit so lange und so ernsthaft nach, und die Begierde zu erfahren, ob das liebe Kind noch lebe, und was aus ihr geworden sey, ward so stark in mir, daß ich eigens deswegen auf Herisau gieng, (ungeachtet ich in der Zwischenzeit manchmal mich Tage lang dort aufhielt, ohne daß mir nur ein Sinn an sie kam,) nach ihrer Wohnung fragte, und bald erfuhr, daß sie schon Mutter von zehn Kindern, und auf einem Wirthshaus sey. Ich flog dahin. Der Mann war eben nicht zu Hause. Ich sprach sie um Nachtherberg an, setzte mich zu Tisch, und beguckte mein – nun nicht mehr mein Cäthchen. Himmel! wie das arme Ding ganz verlottert war. Und doch erkannt' ich ihre ehevorigen jugendlichen Gesichtszüge mitunter noch deutlich. Ich konnte mich der Thränen kaum erwehren. Sie war unglücklicher Weise an einen brutalen und dabey lüderlichen Mann gerathen, der nachwerts wirklich banquerout machte. Schon damals war sie in sehr ärmlichen Umständen. Sie kannte mich nicht mehr. Ich fragte sie alles aus, nach ihrer Herkunft, wer ihr Mann sey, u.s.f. Und endlich auch: Ob sie sich nicht mehr eines gewissen U.B. erinnre, den sie vor zwanzig Jahren etliche Tag' nach einander beym Schwanen angetroffen. Hier sah sie mir starr ins Gesicht – fiel mir an die Hand: »Ja! Er ist's, er ist's«! und grosse Tropfen rollten über ihre blassen Wangen herab. Nun ließ sie alles stehn, setzte sich zu mir hin, erzählte mir der Länge und Breite nach ihre Schicksale, und ich ihr die meinigen, bis späth in die Nacht hinein. Beym Schlafengehn konnten wir uns nicht erwehren, jene seligen Stunden durch ein Paar Küße zu erneuern, aber weiter stieg mir auch nur kein arger Gedanke auf. Im Verfolg kehrte ich noch manchmal bey ihr ein. Sie starb etwa vier Jahre nach unserm ersten Wiedersehn – und es thut mir so wohl, noch eine Thräne auf ihr Grab zu weinen, wo sie itzt mit so viel andern guten Seelen im Frieden wohnt. Und nun weiters.     Daß ich in meiner obigen Geschichte über die allerernsthaftesten Scenen meines Lebens – Wie ich an meine Dulcinea kam – ein eigen Haus baute – einen Gewerb anfieng, u.s.f. so kurz hinweggeschlüpft, kömmt wahrscheinlich daher, daß diese Epoche meines Daseyns mir unendlich weniger Vergnügen als meine jüngern Jahre gewährten, und darum auch weit früher aus meinem Gedächtniß entwichen sind. So viel weiß ich noch gar wohl: Daß, als ich auch im Ehestand mich betrogen sah, und statt des Glücks, das ich darinn zu finden mir eingebildet hatte, nur auf einen Haufen ganz neuer unerwarteter Widerwärtigkeiten stieß, ich mich wieder aufs Grillenfängen legte, und meine Berufsgeschäfte nur so maschienenmäßig, lästig und oft ganz verkehrt verrichtete, und mein Geist, wie in einer andern Welt, immer in Lüften schwebte, sich bald die Herrschaft über goldene Berge, bald eine Robinsonsche Insel, oder irgend ein andres Schlauraffenland erträumte, u.s.f. Da ich hiernächst um die nämliche Zeit anfieng, mich aufs Lesen zu legen, und ich zuerst auf lauter mystisches Zeug – dann auf die Geschichte – dann auf die Philosophie – und endlich gar auf die verwünschten Romanen fiel, schickte sich zwar alle dieß vortreflich in meine idealische Welt, machte mir aber den Kopf nur noch verwirrter. Jeden Helden und Ebentheurer alter und neuer Zeit macht' ich mir eigen, lebte vollkommen in ihrer Lage, und bildete mir Umstände dazu und davon wie es mir beliebte. Die Romanen hinwieder machten mich ganz unzufrieden mit meinem eigenen Schicksal und den Geschäften meines Berufes, und weckten mich aus meinen Träumen, aber eben nur zu grösserm Verdruß auf. Bisweilen, wenn ich denn so mürrisch war, sucht' ich mich durch irgend eine lustige Lektur wieder zu ermuntern. Alsdann je lustiger, je lieber; so daß ich darüber bald zum Freygeist geworden, und dergestalt immer von einem Extrem ins andre fiel. In dieser Absicht bedaur' ich die Gefehrtin meines Lebens von Herzen. Denn so wenig Geschmack ich an ihr fand, so hatte sie doch noch viel mehr Ursache, keinen an mir zu finden. Dennoch war ihre Neigung zu mir stark, obgleich nichts weniger als zärtlich. Ein Betragen ganz nach ihrem Geschmack, meine Unterwürfigkeit und Liebe zu ihr, das alles wollte sie von dem ersten Tag' an erproben und erpoltern – und macht's heute mit mir und meinen Jungen noch eben so – und wird es so wenig lassen, als ein Mohr seine Haut ändern kann. Und doch ist dieß, wie ich's nun aus Erfahrung weiß, gewiß das ganz unrechte Mittel, einen an das Joch zu gewöhnen. Inzwischen flossen meine Tage so halb vergnügt, halb mißvergnügt dahin. Ich suchte mein Glück in der Ferne und in der Welt – mittlerweile es lange ganz nahe bey mir vergebens auf mich wartete. Und noch itzt, da ich doch überzeugt bin, daß es nirgends als in meinem eigenen Busen wohnt, vergeß ich nur allzuoft, dahin – in mich selbst zurückzukehren – flattre in einer idealischen Welt herum, oder wähle in dieser gegenwärtigen falsche, Eckel und Unlust erweckende, Scheingüter ausser mir. Was Wunder also, daß ich, nach meinem vorbeschriebenen Verhalten, mich immer selber ins Gedränge brachte, und mich zumal in eine Schuldenlast vertiefte, in der ich beynahe verzweifeln mußte.

    Torna su

    [...]

    Anhang [1788]

    Peter und Paul
    PETER mit einer Zeitung in der Hand. Ha, ha, ha! Muß einer noch des Elends lachen. Was doch die Zeitungsschreiber heut zu Tag' alles aufgabeln. Als wenn's nicht Staats- und Kriegsnachrichten aus allen Theilen der Welt genug gäbe, ohne daß sie dergleichen Narrn'spossen in ihre Blätter 'nein schmierten. Ich lese keine Zeitung mehr.
    PAUL. Ey, was ist's denn? Machst einen Ketzerslerm! Laß sehn.
    PETER. Guck da: Lebensgeschicht' eines armen Manns im Tockenburg! 's möcht einer aus der Haut schleufen. Bald muß man sich schämen ein Tockenburger zu seyn. Unser Ländchen ist ohnedem schon verschreyt genug. Wenn's denn noch solche Narren giebt, die sich selbst in Druck stellen, und sogar in die Zeitung setzen lassen, werden wir aller Welt zum Gespött werden. Du sollst's hören und sehen, wie man zu Z.**, St.**, und H.***, drüber die Nase rümpft, und ein teuflisches Gelächter anfängt. Und denn mag mir das eine saubere Lebensgeschicht' abgeben. Man kennt die Näbis –
    PAUL. Das ist, beym Sapperment! nicht brav. Man hat da dem armen Mann einen verzweifelten Streich gespielt. Ich weiß, wie's ihm durch Mark und Bein gehen wird. Freylich hat er sein Geschreib dem Herr Pfarrherr übergeben, Gebrauch davon zu machen, wenn er's irgend wohin tauglich finde; aber doch mit dem Beding, daß es hier zu Land nicht allgemein bekannt werde, weil er seine hiesigen Freunde nur zu gut kennt. Nun hatte der Pfarrer einiche Auszug davon in eine Monathschrift einrücken lassen, die hier wenig gelesen wird. Da geht der F** Novellist in ** und drückt's in seiner Zeitung nach. Aber nur Geduld. Unser Pastor wird schon sorgen. Ich wette, die Fortsetzung kömmt nächste Woche nicht mehr.
    PETER. Aber, was nützt dem Narrn sein Schreiben? Wenigstens wenn ich der Pfarrer wär', nähm' ich mich des Zeugs nicht an, und sagte dem Lümmel gerad heraus: Hock lieber bey deiner Arbeit, und laß die Lumpenflausen bleiben.
    PAUL. Nicht so wild, nicht so wild Herr Peter! Warum itzt den Pfarrer ins Spiel ziehen, der doch auch hier nichts anders als einen neuen Beweis seiner Menschenfreundlichkeit abgelegt hat? Glaub' mir's nur, er kennt seine Leuthe, und läßt den Näbis-Uli nicht schelten; und ich auch nicht, du – –
    PETER. Du magst mir gerad' auch ein Halbnarr seyn, wie der Uli. Ich kenne ihrer drey oder vier; 's ist, bey Gopp! einer wie der ander. Oder ich frag' dich noch einmal, was nützt, was trägt dergleichen Zeug wohl ein? Bringt die Nasenweisheit des hochmüthigen Witznarrn seiner Frau und Kindern Brodt ins Haus! Wo hat je einer im Tockenburg etwas mit Schreiben erworben, ausser Amts wegen; und etwa höchstens noch der Schulmeister Am Bühl. Aber dergleichen Faxen und Bockssprüng' in Druck geben, ist Narrheit über Narrheit.
    PAUL. Du weißt's vielleicht nicht – Der Am Bühl war eben des Ulis beßter Herzensfreund. Vom Nutzen oder Nichtnutzen aber verstehst du so viel als die Kuh von der Muskatnuß. Ich einmal will seiner Zeit die Geschicht' gern lesen, obgleich sie freylich nichts sonderbares enthalten kann.
    PETER. Das denk' ich auch, und wollt' dir's grad itzt sagen, wie's Vater Unser. Bin mit dem Lappe aufgewachsen, und muß es ja wissen. Seine Eltern hieß man immer die Näbis von ihrem Wohnort her, einem elenden Nest von zwey armseligen Hütten. Man kann sich die adeliche Familie denken. Sie stellten auf zwey und zwanzig Beine 11. Kinder, zügelten hernach von einer Stelle zur andern, und konnten sich des Beteins kaum erwehren. Im Dreyschlatt mußte sein Vater gar mit seinen Gläubigern capituliren, und mit dem ganzen Fasel halb nackt davon ziehn. Uli, den ältesten, kannt' ich schon als Schulerbub', in der Zeit da er ein Biß'l elend lesen und schreiben gelernt. Er, wie die übrigen alle, wuchs halb nackend und wild auf, mit seiner schmutzigen Rotznas'. Jedermann neckt' und lachte ihn aus, weil er so tölpisch dahergieng, alle Augenblick über Stock und Stein stolperte, alle Vögel begaffte, und nie zu seinen Füssen sah. Als er nun allmälig zu einem grossen starken Bengel emporschoß, und itzt seinem Vater an die Hand gehen sollte – nahm er den Weiten, und gieng unter die Soldaten, riß aber bald wieder aus, weil er das Pulver nicht riechen konnte; bettelte sich dann wieder heim; machte in seiner Montur, Frisur und Schnurrbart den Gecken, war zur Bauernarbeit zu faul, und brütete nun, ohne einen Heller in der Tasche zu haben, in seinem Kopf den Kaufherr; und wirklich glückte es ihm durch seines Vaters Fürsprache, daß er 100. Thlr. und etwas Baumwolle auf Credit bekam. Auch wußt' er sich bey dem Spinnervolk durch die seltsamsten Caressen so einzuschmeicheln, daß man ihn nur den Garnbettler hieß. Dann baute er sich ein Nestchen, und freyte ein Weib (nur Schad' um sie!) die eine gute Mannszucht mit ihm vornehmen wollte. Aber es war leider zu späth'; er folgte seinem harten Eselskopf. Nichts desto minder schien auch itzt noch die Glückssonn' ihn anzulachen, und es nahm die Leuth' Wunder, wie einem solchen Löffel alles so gut gelingen könnte. Aber er machte schlechten Gebrauch davon, verstuhnd weder Handel noch Haushalt, stolperte sorglos herum, wie's ihm jückte, hieng sein Geborgtes an alle Lumpen und Lempen; fieng an seine Nase in die Bücher zu stecken, und, weil sein Seckel ihm nicht erlaubte, dergleichen zu kaufen, bettelte er sich in die Gesellschaft ein. Nun glaubte er gar, der Tag steh' ihm am Hintern auf, floh' unser einen und unsre altväterschen Zusammenkünfte, hockte immer an seinem Pult in einem Winkel, vernachläßigte seine Geschäfte, die er ohnehin nicht verstuhnd, und gerieht in einen solchen Schuldenlast, daß er, besonders in den theuren Siebenzigerjahren ein starkes Falliment gemacht, wenn nicht seine Gläubiger gute Leuth' gewesen, und dem Narrn, zwar nicht seinet- sondern Weib und Kinder wegen, geschont hätten. Ob er sich seither erholt oder nicht, ist mir unbekannt; denke aber doch, daß es noch mißlich genug um ihn stehe. Denn noch immer fährt er in seiner alten commoden Lebensart fort, macht sich gute Täg'l, besonders wo er's verstohlen thun kann, sieht andre ehrliche Leuth' über die Achsel an, legt sich auf lauter gelehrte Poßen, und hat doch keinen Hund aus dem Ofen zu locken. Kurz, er ist ein läppischer Hochmuthsnarr, der sich immer auszeichnen, und aus seiner Bettelfamilie hervorragen will, obgleich auch diese wenig genug auf ihm hält. Doch, das wär' alles noch nichts. Aber daß dieser Erzschöps' itzt gar seine eigne Geschicht' in die Welt ausgehen läßt, das ist zum Rasendwerden. Wenn doch nur gewisse Herren so gescheidt wären, als sie witzig seyn wollen, so würden sie an solchen Lauskerlen – –
    PAUL. Genug ist genug, Peterle! Das ist zu arg. Wär' ich auch nie des Manns Freund gewesen, so müßt' ich doch itzt seine Parthey nehmen. Denn das ist nun so einmal meine Art: Wenn ich höre, daß einem so offenbar Gewalt und Unrecht geschieht, wallt mir das Blut in allen Adern. Also wird mir's der Herr nicht übel nehmen, wenn meine Vertheidigung des guten Uli's etwas unfreundlich ablaufen sollte. Nicht daß ich denke, ihm damit einen sonderlichen Dienst zu leisten. Ich kenn' ihn zu gut, und er kennt dich zu gut, und weißt wie boshaft du ihn überall anzuschwärzen bemühet bist, achtet's aber auch so wenig, wie Fliegengesums, und würde dir mit lachendem Mund Am Bühls bekanntes Lied: Juchhe! Ich bin ein Biederman! frisch unter die Nase singen. Aber, auf meine eigene Rechnung, sag' ich dirs, Kerl! Du lügst, du lügst, wie ein andrer Schelm, im Kleinen und Grossen; und wo's noch gut geht, machst du dem armen guten Mann Dinge zum Verbrechen, die eher dein Mitleid verdienen sollten. Daß seine Eltern z.B. nicht das Talent hatten, Schätze zu sammeln, wie du, soll das ihnen oder ihm zum Vorwurf gereichen? Waren sie nicht, trotz aller ihrer klemmen Umstände, ehrliche Leuthe? Nähren sich nicht alle ihre Kinder redlich mit ihrer Hände Arbeit? Und Uli selber, dem du Faulheit vorwirfst, fällt nichts schwerer als Müßiggehn. Er soll von Hochmuth strotzen; und von allen möglichen Leidenschaften plagt ihn keine weniger als diese, und kein Mensch von allen die ich kenne, lebt lieber im Verborgnen als er? Daß er mitunter an Lesen und Schreiben ein so grosses Vergnügen findt, was geht das dich an? Läßt er dir nicht auch deine Freude, Batzen zu faucken? Wenn du also nur die Leuth ungeschoren liessest. Aber an dir, Bursch'! wird eben das Sprichwort wahr:

    Kein Messer in der Welt schärfer schneidt, Als wenn der Bettler zum Herren wirdt.

    Von des armen Manns Schreibereyen wäre gewiß nichts vor deine Augen gekommen, wenn nicht jene Zeitung den verdammten Lerm veranlasset hätte; liesest du doch sonst nichts als etwa diese, um darinn etwas aufzuschnappen, das du mit deinem Senf wieder auftischen kannst, oder im Calender, und in deinem Rechenbuch. So begehrt auch Uli gewiß weder hervorzuragen noch Figur zu machen, wie du und deine Helfershelfer, die ihre hohe Weisheit auf allen Kirchen- und Marktplätzen, hauptsächlich aber in allen Wirthshausgelagen ertönen lassen, und mit ihrem breiten Maul über Dinge absprechen, wovon sie keine Laus verstehen. Da muß jeder, der nicht nach eurer Pfeife tanzt, Spißruthen laufen. Da werden weder geist- noch weltliche Vorgesetzte geschont. Landsordnungen und Gebräuche, alles liegt euch nicht recht. Euer Wohlweisheiten würden das Ding viel besser machen. Und eben darum hat der arme Mann sich euern Haß aufgeladen, daß er (der doch nach euerm Sinn weit unter euch steht, und sich's wohl herrlich zur größten Ehr' hätte rechnen sollen, bey euch gelitten zu werden) euch vielmehr sorgfältig vermied, und Gespanen suchte die mehr nach seinem Geschmacke waren – oder in deren Ermanglung lieber mit einem redlichen Bauer von Holz und Feld, Heu und Stroh plauderte – oder sich zuletzt mit dem ersten beßten Handwerksbursch unterhielt – wenn er nur euch, Allerweltshofmeister! ausweichen konnte.
    PETER. Du redst halt, wie ein Mann ohne Kopf. Heißt das, auf meine Frage geantwortet? Ich fragte dich, was solche Bücherfresser und Papierverderber sich oder andern für Nutzen brächten? Zeig' mir den an, und dann halt's Maul, oder man wird dich's lehren. Sag' also an, deine Tagdiebe und Fantasten, sind sie besser oder reicher als andre?
    PAUL. Nur nicht zu rasch, Peterle! Ob sie besser oder nicht besser sind, müssen ich und du dem einzigen Herzenskündiger überlassen. Aber so viel weiß ich wohl, daß sich viele aus ihnen ernstlich bemühen, besser zu werden; und daß jene Geistesbemühungen ihnen auch hierinn vortrefliche Dienste leisten. – Ob sie dadurch reicher werden? – Daß du verdammt werdest mit deinem Geld! Einen solchen Gesell, wie du bist, darf man eben nicht fragen: Was er vor edler halte, Seel' oder Körper? Man weißt es schon, da alle deine und deiner Zunftgenossen Dichten und Trachten nur darauf zielt, euern Madensack zu verpflegen, wenn ihr euch gleich mit all' euerm Silber und Gold nur keinen faulen Zahn wieder gut machen könnt. Mittlerweile jener ihre vornehmste Sorge darauf geht, ihr Herz zu reinigen und ihren Geist auszubilden, und, vergnügt mit der Befriedigung ihrer unentbehrlichen Bedürfnisse, unzählige edle und entzückende Freuden geniessen, die ihr mit euern schielenden Augen nicht einzusehen, mit euerm thierischen Verstand nicht zu begreifen, und euch besonders nie zu dem erhabenen Urquell derselben zu erheben vermögend seyt – so ungefehr wie die Schweine, welche freylich auch die Eicheln unter dem Baum begierig auffressen, ohne sich um den Bau der Frucht, oder um den Schöpfer des Baums zu bekümmern – Was thut indessen Ihr? Mit eurer Naterzunge alle eure Nebenmenschen begeifern, ihre löblichsten Handlungen verkleinern und die unschuldigsten verleumden, ihr Pharisäer! die ihr, mit euerm Schmolk und Habermann in der Hand freylich alle Sonntag zur Kirche läuft, und keine Sylbe von der Predigt versteht oder behaltet; und denn damit wähnt alles gethan, und euch zumal das Recht erworben zu haben, die ganze noch übrige Zeit des Tags das halbe Tockenburg mit eurer falschen Elle zu messen; gegen jeden, der besser ist als ihr, mit Quackern, Duggenmäuslern, Bibelfressern, Jesuiten, Papierleckern und andern derley läppischen Schimpfnamen herumzuwerfen, und, wo ihr an jemand kein einzig offenbares Laster finden könnt, ihm dafür zehn geheime anzudichten; wie ihr's z.E. eben dem armen Manne macht, den ihr geradezu unter die gröbsten Zöllner und Sünder setzt, und ihm besonders solche Fehler andichtet, von denen er am allerweitsten entfernt ist. Doch, seyt seinetwegen nur ohne Sorgen. Seine wirklichen Mängel gestehet er selbst zu allererst ein – und die ersonnenen schiebt er auf den Nacken ihrer Erfinder zurück, lacht euch unter die Nase – oder schweigt, wenn er noch klüger ist. Ueberhaupt aber kann in unserm lieben Land Tockenburg keine noch so heilsame Neuerung, keine noch so gemeinnützige Verordnung, kein noch so löbliches Institut stattfinden, über die ihr nicht mit euern Breitmäulern daherfährt, es auf allen Gassen zu verlästern, und den Einfältigen dagegen in Aufruhr zu bringen sucht. Will's denn öffentlich nicht gelingen, so schleicht sich etwa ein wohlberedtes Mitglied aus eurer saubern Zunft in die Spinnstubeten ein, sitzt mit einem Halbdutzend ebenfalls hochweiser Frauen zusammen, trägt ihnen mit gerunzelter Stirn' und verspreiteten Armen in einer häufig mit Ach! und wieder Ach! unterbrochenen schöngesetzten Sermon den landsverderblichen Casus vor, und ruht nicht, bis diese neuen Amazonen in Feuer und Flammen gerathen, und schwören, Himmel und Erde zu bewegen – und besonders ihre Männer so lang' zu plagen, bis sie sich entschliessen, das Uebel mit Stumpf und Stiel auszurotten. Dabey aber ist es immer ein Glück, theils daß Weiberzorn nie von langer Dauer, theils daß es Gott Lob! auch noch vernünftige Frauen giebt, und ihr so nicht selten anprellt, und euch selbst bey allen Klugen zum Gelächter macht. So gieng's euch z.E. bey Anlaß unsers freylich kostbaren Strassenbaues, wo ihr's auch jedem in's Ohr rauntet, der einfältig genug war, es euch zu leihen: Daß, sobald wir neue Weg' hätten, Krieg in's Land kommen würde. Aber, gelt! euch artigen Herren zu Trotz hat es unsern wohlgesinnten Vorstehern geglückt unser gutmüthiges Volk bald eines andern und bessern so zu belehren, daß sie itzt mit der freudigsten Willfährigkeit wirklich herkulische Arbeiten verrichten, und davon einst, neben dem Nutzen auch gebührendes Lob und Ruhm einerndten werden. Was die moralische und Lesegesellschaft betrift – –
    PETER. Ha! Da kömmst du mir eben recht. Man merkt's dir an deinen Plaudereyen an, daß du dich auch schon längst gern' hättest zu diesem Orden einkleiden lassen, der wohl saubre Geheimnisse besitzt, da seine angesehensten Mitglieder in der Beßte ihrer Jahren in's Gras beissen, die witzigsten ausser Lands ihr Brodt suchen mußten, und andre sonst ihr Glück verwahrloset haben, die übriggebliebenen aber das seltsamste Gemisch von curjosen Köpfen, alten Pastoren, dann wieder jungen Herren mit grossen Hüten und weiten Hosen, ausmachen, und itzt gar, wie ich höre, mit einander uneins geworden sind. Wahrlich, eine herrliche Verbrüderung! Gelt, gelt, ich weiß es – –
    PAUL. Ja, ja! und Ich weiß es auch, daß solche Spinnen, wie du, aus den schönsten Bluhmen, wo die Biene nur Honig findet, das Gift saugen. Wo ist ein Acker, auf dem nach Verlauf vieler Jahre, nicht auch in irgend einem Winkel Unkraut wächst? Und wenn der beßte, reinste Saamen darein gesäet wird, so ruhet der böse Feind um so viel minder, bis er – und sollt' er die Nacht dazu nehmen – auch etwas von jenem drunter gestreut hat. Und war es nicht auch gerad' so einer, wie du, der den ersten Zunder zu jenem Zwist anblies, der aber, trotz deiner Schadenfreud', von keinen erheblichen Folgen seyn wird, so daß bald wieder alles in's alte Gleis kommen soll. Indessen, noch einmal: Bey euch, Herren! ist das Vermögen immer die Hauptsach'. Wem das Geld fehlt, der ist in euern Augen schon per se ein unnützer Knecht. Aus der Nähe und Ferne zergliedert ihr die Glücksumständ' eines jeden, den ihr kennt oder nicht kennt, und zählt ihm seine Batzen in der Tasche. Da heißt's bey euch bald alle Tag: Huchhey! Dort liegt auch wieder ein Kalb auf dem Schragen – A. liegt schon in den letzten Zügen – B. pfeift ebenfalls auf dem letzten Löchlin – und C. muß wenigstens capituliren. Doch habt ihr eben auch schon manchem längst zu Grabe geläutet, der, zu euerm grossen Herzenleid, heutigen Tags noch so frisch und gesund ist, als einer, und wohl auch alsdann noch aufrecht wie ein Bolz stehen wird, wenn – Ihr wenigstens ihm die Todtenglocke nicht mehr zieht. Freylich müßte vielleicht mancher noch so haushältersche Ehrenmann Hof und Heimath mit dem Rücken ansehn, wenn alle Menschen so dächten wie ihr, ihr unerbittliche Treiber – der schuldlosen wie der schuldigen Armuth! Ihr schwarzgallichte Unglückskocher – Ihr – –
    PETER. Wie? – Was? – Bin ich nicht ein Narr, einer solchen Schandgosche, wie deine, so lang zuzuhören – und dich nicht lieber krumm und lahm zu schlagen, du S***! – Aber, nur Geduld! es soll dir nicht geschenkt seyn.
    PAUL. Hätt'st Courage, ich weiß wohl, würdst du gewiß nichts sparen. Aber es ist eben ein Glück, daß du und fast alle deines Gelichters nur dapfer mit dem Maul sind. Ich vor mich hab' dir gerad' von der Leber weggeredt; und zwar nicht meines Vortheils wegen, sondern um die gekränkte Ehre vieler guten Menschen überhaupt, und des armen Mannes seine insbesonders, gegen dich und deinesgleichen in Schutz zu nehmen. Itzt bin ich fertig; mein Herz ist geräumt, los und ledig von allem weitern Grimm und Groll; und füg' ich nur noch den einzigen wohlmeynenden Wunsch bey: Daß ihr könftig liebreicher und behutsamer von euern Nebenmenschen – –
    PETER. Und Ich wünsch' dir alle Schwernoth auf den Buckel, du vertrackter Erzschurke, du! Man hört's nun, wie gut du von ehrlichen Leuthen denkst, die in ihrer Einfalt an ihrem Nächsten, ohne ihn darum zu hassen, freylich nicht nur seine Tugenden, sondern auch seine Mackel sehn.
    PAUL. Das wußt' ich wohl. So wenig ein Mohr seine Haut, oder ein Pardel seine Flecken ändern kann, so wenig können die eines gutmüthigen Sinns werden, die eines böswilligen gewohnt sind. Ihr haßt keinen Menschen, sondern nur ihre Thorheiten und Laster – nicht wahr? Aber, wer ist in euern Augen tugendhaft? Gewiß keiner, der nicht euer Lied singt – brav Geld zusammenscharrt, und besonders – euch in allen Dingen den Vorzug läßt. Uebrigens seyt ihr einander selbst nicht treu, keiner traut, jeder betriegt den andern, oder schlägt ihm wenigstens ein Bein unter; und nie seyt ihr einig, als wo's drauf losgeht, den Drittmann zu übertölpeln, oder wettzueifern, wer auf seinen Mitchrist am meisten Böses – sey's nun wahr, halbwahr oder erdichtet, bringen kann. Doch, ich bin müde, länger eure schlimme Seite zu schildern. Die gute aber mögt ihr selbst zeigen. Wohlbekomm's, meine Herren! Adieu!

    Torna su